Gesetzessystematisch ist die Neuregelung des § 2b UStG als Ausnahmeregelung zu der ab spätestens in dem 01.01.2027 allgemein geltenden Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu verstehen. Die Vorschrift des § 2b UStG enthält für verschiedene Tätigkeiten Ausnahmetatbestände von der Unternehmereigenschaft.
Gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG gelten juristische Person des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer i. S. d. § 2 UStG, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG gilt dies nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (Verfügung). Das Kriterium der Wettbewerbsverzerrung ist hierbei von zentraler Bedeutung.
Ein Negativkatalog zu den Wettbewerbsverzerrungen findet sich in den Abs. 2 und 3 des § 2b UStG.
Im Rahmen der tatbestandlichen Prüfung des § 2b UStG muss jedoch in einem ersten Schritt zwingend eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt vorliegen, um in den Anwendungsbereich des § 2b UStG zu gelangen. Ein Tätigwerden auf privatrechtlicher Grundlage hat dagegen stets die Unternehmereigenschaft der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und damit die Umsatzsteuerbarkeit der entsprechenden Leistungen zur Folge.
- Die Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt
Eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt setzt als Grundlage einer öffentlich- rechtliche Sonderregelung voraus (Verfügung). Diese kann sich "aus einem Gesetz, eine Rechtsverordnung, eine Satzung, aus Staatsverträgen, verfassungsrechtlichen Verträgen, Verwaltungsabkommen, Verwaltungsvereinbarung, öffentlich-rechtlichen Verträge sowie aus der Kirchen-rechtlichen Rechtsetzung ergeben (vgl. BMF, Schreiben vom 16.12.2016- III C2-S7107/16 /10001 Rn. 6).
- Keine größere Wettbewerbsverzerrung
Neben einer Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ist für die Anwendbarkeit des § 2b UStG zusätzlich erforderlich, dass die Behandlung der jPöR als Nichtunternehmer nicht zu einer größeren Wettbewerbsverzerrung führt. Die Regelungen in § 2b Abs. 2 und Abs. 3 UStG regeln die Fälle, in denen keine größere Wettbewerbsverzerrung gegeben ist.
Für die Frage der Wettbewerbsrelevanz kann ergänzend auf das BMF- Schreiben vom 14.11.2019 (III C2 -S7107/19/10005: 011, Bundessteuerblatt I 2 019,1140) zurückgegriffen werden.
Nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere dann nicht vor, wenn der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500,00 € jeweils nicht übersteigen wird.
Nach dieser Vorschrift liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere auch dann nicht vor, wenn vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9 UStG) einer Steuerbefreiung unterliegen. Zu beachten ist, dass diese Regelung nicht gilt, wenn auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 UStG verzichtet werden kann.
Sofern eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts erbringt, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere dann nicht vor, wenn die Leistung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen und somit private Wirtschaftsteilnehmer von der Erbringung dieser Leistung ausschließen.
Nach dieser Vorschrift liegen größere Wettbewerbsverzerrungen dann nicht vor, wenn die Zusammenarbeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 UStG regelmäßig dann der Fall, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) die Leistungen beruhen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Verträgen
b) die Leistungen dienen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allbeteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe, ´
c) die Leistungen werden ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht und
d) der leistende erbringt gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts.
Im Rahmen der Prüfung von Wettbewerbsverzerrungen ist zu beachten, dass selbst bei dem Vorliegen eines Regelbeispiels nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG im Lichte des Europarechts nach Auffassung der Bundesfinanzverwaltung eine weitere gesonderte Prüfung möglicher Wettbewerbsverzerrungen erforderlich ist (BMF- Schreiben vom 14.11.2019, III C2- S7107 /19 /10005: 011, Bundessteuerblatt I 2019, 1140).
In dem o.g. BMF-Schreiben vom 12.06.2024 finden sich unter anderem folgende Neuregelungen:
- Für den Vorsteuerabzug beim Bezug einheitlicher Gegenstände, die sowohl unternehmerisch als auch nichtwirtschaftlich verwendet werden, gilt eine Billigkeitsregelung. Danach kann die juristische Person des öffentlichen Rechts den Gegenstand in vollem Umfang in ihrem nichtunternehmerischen Bereich belassen, ein Vorsteuerabzug ist dann nicht möglich. Dafür ist eine entsprechende Zuordnungsentscheidung erforderlich. Ausgeschlossen ist jedoch eine spätere Vorsteuerberichtigung zugunsten der juristischen Person des öffentlichen Rechts im Billigkeitswege.
- Für kleine juristische Personen des öffentlichen Rechts deren Ausgangsumsätze im vorangegangenen Kalenderjahr die Grenze von 45.000,00 € nicht überstiegen haben, gibt es eine Sonderregelung. Sie können eine pauschalen Vorsteuerabzugsquote ausgabenseitig ermitteln, was jedoch dann für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren bindend ist.
- Bei Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder besteht beim Vorsteuerabzug die Möglichkeit, anstelle eines Einnahmeschlüssel einen Haushaltsschlüssel anzuwenden, welcher auf den Haushaltsansätzen fußt.