Der Themenkomplex „Immobilien“ gehört zu den fehleranfälligsten Themenbereichen in der Umsatzsteuer. Gleichzeitig spielt die umsatzsteuerliche Behandlung von Immobilieninvestitionen eine in der Praxis mithin gar nicht zu überschätzende Rolle.
Dies beginnt bereits bei der Anschaffung bzw. dem Bau über die Nutzung bis hin zur Veräußerung der Immoblie. Eine fehlerhafte umsatzsteuerliche Behandlung kann gar den wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Projekts gefährden.
Schon beim Kauf eines Grundstücks nebst Gebäude oder der Errichtung einer Immobilie ergeben sich die ersten umsatzsteuerlichen Fragestellungen. In einem ersten Schritt hat der Unternehmer zu prüfen, ob für das Grundstück (ggf. nebst Immobilie) eine Zuordnungspflicht (ausschließlich unternehmerische Nutzung z. B. als Betriebshalle), ein Zuordnungswahlrecht (gemischte Nutzung) oder ein Zuordnungsverbot (z. B. Nutzung für eigene Wohnzwecke) zu seinem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen besteht. Falsche Entscheidungen an dieser Stelle können erhebliche umsatzsteuerliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Für den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Kauf/der Errichtung eines Gebäudes kommt es auf die beabsichtigte Nutzung des Grundstücks zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges an. Sollte die tatsächliche Nutzung hinterher von der ursprünglich beabsichtigten Nutzung abweichen, ist in aller Regel eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG durchzuführen.
Unter Umständen ist jedoch auch schon bei Leistungsbezug der Vorsteuerabzug nach einem bestimmten Schlüssel (vgl. § 15 Abs. 4 UStG) aufzuteilen, wenn die Immobilie sowohl für vorsteuerunschädliche als auch vorsteuerschädliche Umsätze verwendet werden soll. Die Aufteilung des Vorsteuerabzugs folgt darüber hinaus je nach Art der Eingangsleistung eigenen spezifischen Regeln. Es ist zu differenzieren nach:
Der Vorsteuerabzug stellt einen integralen Bestandteil des Umsatzsteuersystems dar, um die Neutralität der Umsatzsteuer im unternehmerischen Bereich sicherzustellen. In einer Unternehmerkette soll prinzipiell keiner mit Umsatzsteuer wirtschaftlich belastet werden. Der Vorsteuerabzug gewährt dem Unternehmer das Recht, die auf Eingangsleistungen an einen anderen Unternehmer (Lieferant oder Dienstleister) gezahlte Umsatzsteuer von seiner Umsatzsteuerschuld für eine Ausgangsleistung abzuziehen. Das Recht auf den Vorsteuerabzug entsteht für den Unternehmer regelmäßig bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (sog. Sofortabzug). Entscheidende formelle Voraussetzung für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist jedoch der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 4 UStG, die unter anderem Angaben zur Person des Leistungsempfängers und des Leistenden sowie die Steuernummer bzw. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden enthalten muss. Das Recht auf Vorsteuerabzug ist (erst) für den Besteuerungszeitraum auszuüben, indem sowohl die materiellen als auch die formellen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Gegenüber dem Finanzamt trägt der Unternehmer die Nachweispflicht und Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs.
Das Umsatzsteuergesetz bestimmt jedoch auch zahlreiche Fälle, in denen das Recht zum Vorsteuerabzug trotz Vorliegens der materiellen und formellen Voraussetzungen ausgeschlossen ist. So ist der Vorsteuerabzug insbesondere dann ausgeschlossen, wenn die Eingangsleistung für steuerfreie Ausgangsumsätze des Unternehmers verwendet werden soll. Daneben sind z.B. bestimmte Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, die auf Aufwendungen entfallen, für die ein ertragsteuerliches Betriebsausgabenabzugsverbot gilt.
Grundsätzlich ist der Verkauf einer Immobilie durch einen Unternehmer als umsatzsteuerfreie Lieferung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a) UStG zu beurteilen. Dem ist jedoch längst nicht immer so.
Denn zum Einen kann der Verkauf einer Immobilie eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) oder eine Teilbetriebsveräußerung gemäß § 1 Abs. 1a UStG darstellen. Auf die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 9 UStG kommt es dann nicht mehr an. Eine GiG kann unter bestimmten Voraussetzungen schon bei der Veräußerung einer einzigen Immobilie gegeben sein. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen spielt insbesondere beim Verkauf von vermieteten Immobilien eine wesentliche Rolle.
Praxistipp:
Die Beantwortung der Frage, ob eine nicht steuerbare GiG oder aber nicht steuerbare Teilbetriebsveräußerung vorliegt, lässt sich in der Praxis häufig nicht so leicht feststellen. Hier ist jeder Einzelfall anhand der gesetzlichen Voraussetzungen und der ergangenen BFH-Rechtsprechung zu würdigen.
Sollte die Grundstücksveräußerung dagegen keine GiG darstellen, hat der veräußernde Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG die Möglichkeit, auf die Umsatzsteuerfreiheit der Grundstückslieferung zu verzichten (Option zur Umsatzsteuerpflicht). Dies setzt voraus, dass der Veräußerer das Grundstück an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen verkauft. Darüber hinaus sind die formellen Voraussetzungen der Optionsausübung (§ 9 Abs. 3 UStG) zu beachten. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit der Optionsausübung. Der Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit kann auch nicht durch eine nachträgliche Vertragsergänzung nachgeholt werden.
Bei der Nutzung und Vermietung einer Immobilie ist die umsatzsteuerrechtliche Gemengelage nicht weniger komplex als bei einem Veräußerungsvorgang. Auch hier stellt sich die Frage der Zuordnung zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen (s. oben 2) wie auch Fragen des Vorsteuerabzugs.
Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auch auf den umsatzsteuerlichen Leistungsort zu legen. Denn nach der gesetzlichen Sonderregelung des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG wird eine sonstige Leistung „in Zusammenhang mit einem Grundstück“ dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt. Hierbei ist zu beachten, dass der Grundstücksbegriff im umsatzsteuerlichen Sinne nicht identisch ist mit dem Grundstücksbegriff nach deutschem Zivilrecht. Vielmehr ist der Grundstücksbegriff im Lichte des Unionsrechts auszulegen. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob es sich um eine Leistung „im Zusammenhang“ mit einem Grundstück handelt.
Die Vermietung einer in Deutschland belegenen Immobilie ist grundsätzlich gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG umsatzsteuerbefreit. Dies gilt jedenfalls dann,wenn keine der Ausnahmen nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG vorliegt. Allerdings ist schon an dieser Stelle eine genaue Prüfung erforderlich, inwieweit es sich um eine einheitliche steuerfreie Vermiegtungsleistung handelt. Denkbar ist beispielsweise, dass der Unternehmer zusammen mit dem Gebäude auch Betriebsvorrichtungen (mit-)vermietet. Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist die Vermietungsleistung in diesem Fall in einen umsatzsteuerpflichtigen und einen umsatzsteuerfreien Teil aufzuteilen.
Praxistipps:
Betroffene Unternehmer (Vermietung von Betriebsvorrichtungen, Kantineninventar u. Ä.) sollten das anhängige BFH-Verfahren genau im Auge behalten und die richtigen Schlüsse aus der Entscheidung ziehen. Schon jetzt können Unternehmer das genannte EuGH-Urteil im Rahmen einer Betriebsprüfung für sich nutzbar machen, etwa wenn die (steuerpflichtige) Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen gerade im Streit steht.
Auch bei Vermietungsleistungen hat der Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1, Abs. 2 UStG die Möglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren. Die wirksame Option nach § 9 UStG hat für den vermietenden Unternehmer den evidenten Vorteil, dass er für die bezogenen Eingangsleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Voraussetzung für die Optionsausübung ist auch hier, dass es sich bei dem Mieter um einen Unternehmer handelt (§ 9 Abs. 1 UStG). Darüber hinaus ist jedoch zu beachten, dass eine Option im Falle der Vermietung nur dann in Betracht kommt, wenn der Leistungsempfänger (Mieter) das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 9 Abs. 2 UStG).
Gleichwohl liegt nach Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung insgesamt keine steuerunschädliche Nutzung dann nicht vor, wenn die vorsteuerabzugsschädliche Nutzung durch den Mieter eine bestimmte Bagatellgrenze nicht überschreitet.
Praxistipps:
Die Optionsausübung ist keine bestimmte Form gebunden. Es empfiehlt sich aber auch insoweit schon allein aus Gründen der Rechtsklarheit eine vertragliche Regelung. Die Option kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft aber auch rückwirkend solange ausgeübt werden, wie die Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig ist.
Nach bisheriger Lesart der Finanzverwaltung müssen sich im Ausland ansässige Unternehmer, welche eine in Deutschland belegene Immobilie umsatzsteuerpflichtig vermieten, in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren. Die Finanzverwaltung behandelt ausländische Unternehmer damit allein aufgrund der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung als in Deutschland ansässig im Sinne des Umsatzsteuerrechts (Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Diese Sichtweise der Finanzverwaltung ist nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 03.06.2021 in der Rechtssache Titanium (C-931/19) so nicht mehr haltbar. Allerdings hat sich die Finanzverwaltung zu dieser Fragestellung bis heute nicht positioniert. Dem Vernehmen nach ist eine mit den Bundesländern abgestimmte Verlautbarung mit einer Übergangsregelung in Arbeit. Der finale Inhalt des beabsichtigten BMF-Schreibens ist jedoch offen.
Die Frage der Ansässigkeit/Registrierungspflicht in Deutschland hat ganz praktische Auswirkungen:
Der umsatzsteuerlich in Deutschland ansässige Vermietungsunternehmer hat seine Umsätze und damit auch seinen Vorsteuerabzug im herkömmlichen Besteuerungsverfahren im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen geltend zu machen. Besteht dagegen keine Registrierungspflicht in Deutschland kann der Vermieter die Vorsteuer nur im Rahmen des aufwendigen Vorsteuervergütungsverfahrens geltend machen.
Aus Gründen der Vorsicht sollten Vermieter aus dem Ausland erwägen, ob sie sich nach wie vor in Deutschland weiterhin umsatzsteuerlich registrieren und die Vorsteuer sodann sowohl im Vorsteuervergütungsverfahren als auch in der entsprechenden UStVA geltend machen. Dies kann dann mit einem entsprechend formulierten Begleitschreiben an das Bundeszentralamt für Steuern als auch an das zuständige Finanzamt versehen werden, um sich insoweit nicht dem Vorwurf der Steuerhinterziehung/-Verkürzung auszusetzen. Zu beachten ist, dass es für die Vergütungsanträge im Vorsteuervergütungsverfahren gesetzliche Fristen einzuhalten gilt.
Sollte die Finanzverwaltung (erwartungsgemäß) auf das EuGH-Urteil in der Rs. Titanium reagieren, ergeben sich erhebliche Auswirkungen für die Praxis:
Die vorstehenden Ausführungen zeigen die komplexen Fragestellungen im Zusammenhang mit der umsatzsteuerlichen Handhabung von Immobilienprojekten auf. Immobilienunternehmer und Projektentwickler sollten umsatzsteuerliche Fragen nicht außer Acht lassen, sondern in ihre Wirtschaftlichkeitsanalysen mit einbeziehen. Das Umsatzsteuer-Kompetenzteam von LHP berät Sie gern in allen Fragen der komplexen umsatzsteuerlichen Thematik rund um das Thema Immobilien.
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