Die Steueranwälte von LHP raten in der Prozessführung dazu, bereits möglichst frühzeitig sämtliche entlastenden Umstände im Besteuerungsverfahren darzulegen und nicht darauf zu vertrauen, dass notfalls ein höheres Gericht helfen wird. Gerade im Besteuerungsverfahren hat der Vorsatz eine erhebliche Bedeutung: So kann die Betriebsprüfung z.B. die letzten 10 und nicht die letzten 4 Jahre schätzen.
Zu begrüßen ist, dass der BFH nochmals bestätigt, dass die Feststellungslast für Vorsatz des Steuerpflichtigen beim Finanzamt liegt. Er führt aus: Für die Annahme des Vorsatzes bei einer Steuerhinterziehung genügt es, wenn der Täter die Verwirklichung der Merkmale des objektiven Tatbestandes zumindest billigend in Kauf nimmt und im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkennt. Die Feststellungslast trifft insofern das FA, wenn es sich auf die verlängerte Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung wegen Steuerhinterziehung beruft.
Aber mit dieser oben genannten vorteilhaften Sicht hat der BFH auch eine „Kröte“ verbunden, die der Steuerpflichtige notfalls schlucken muss: Ob diese vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, ist durch den BFH als Revisionsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen (reine Rechtsfehlerkontrolle durch den BFH).
Der Kläger erwarb ein Grundstück und legte dem dortigen Finanzamt (FA) im Rahmen der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes eine Freistellungsbescheinigung seines Sitz-FA vor. Dies geschah zum Nachweis der angeblichen Gemeinnützigkeit, so dass wegen dieses Nachweises der Einheitswert niedriger festgestellt und damit die Grundsteuer verkürzt wurde. Nach Bekanntwerden dieser Verkürzung wurde die Feststellung des Einheitswertes durch das FA korrigiert. Die Verantwortlichen des Klägers bestritten, von der Unrichtigkeit der Freistellungsbescheinigung gewusst zu haben. Da die reguläre Feststellungsverjährung (vier Jahre) vor der Bescheidkorrektur eingetreten sei, sei diese Korrektur zu spät geschehen. Das FG stellte zu seiner Überzeugung fest, dass die Verantwortlichen die Unrichtigkeit der Bescheinigung zumindest billigend in Kauf nahmen und die Bedeutung dieser Bescheinigung für die Höhe der Grundsteuer zumindest „nach Laienart“ kannten. Das FG kam somit zum Vorsatz. Damit sei wegen der auf zehn Jahre verlängerten Feststellungsfrist bei Steuerhinterziehung keine Feststellungsverjährung eingetreten. Der Bescheid sei somit rechtmäßig.
Der BFH hat die Klage abgewiesen, weil keine Feststellungsverjährung eingetreten sei. Die Frist zur Feststellung habe sich auf zehn Jahre wegen Steuerhinterziehung durch die Verantwortlichen des Klägers verlängert (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Das subjektive Moment der Steuerhinterziehung sei durch das FG als Tatsacheninstanz für den BFH als Rechtsmittelinstanz verbindlich festgestellt worden. Das FG habe bei der Feststellung des Vorsatzes als Tatfrage keinen Rechtsfehler begangen. Insb. genüge es für den Vorsatz, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des objektiven Tatbestandes zumindest billigend in Kauf nimmt und im Wege der „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erkennt. Hinweis der Steueranwälte von LHP: Wenn sich das FA auf den Ausnahmetatbestand einer verlängerten Feststellungs- oder Festsetzungsverjährung stützt (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO), so trifft das FA die Feststellungslast (so die ständige BFH-Rechtsprechung). Dies hat der BFH beispielsweise auch im Rahmen der Festsetzung von Hinterziehungszinsen entschieden.
Wenn im steuerlichen Verfahren als Vorfrage das Vorliegen einer Steuerstraftat zu prüfen ist, ist auch dort der Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten (BFH v. 29.1.2002 – VIII B 91/01. Aber: Der Grundsatz „in dubio pro reo“ steht allerdings der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht entgegen, da der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren zur Mitwirkung verpflichtet bleibt (BFH v. 11.7.2007 – IV B 121/06, BFH/NV 2007, 2241).
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Das Finanzgericht sich darf bei der Beurteilung einer Schätzung hinterzogener Beträge aber auch im Besteuerungsverfahren bei Vorsatz nicht auf ein reduziertes Beweismaß stützen (BFH v. 29.1.2002 – VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749). Das FG muss vielmehr aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt sein (BFH v. 29.1.2002). Dies bedeutet: Der Finanzrichter muss bei seiner Überzeugungsbildung von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugt sein. Diese Überzeugung muss allerdings nicht von allen Zweifeln frei sein. Soweit danach noch Zweifel verbleiben, die nicht behoben werden können, gilt auch im Besteuerungsverfahren der Grundsatz „in dubio pro reo“ (BFH v. 11.7.2007 – IV B 121/06).
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Besonders brisant ist, dass für Vorsatz sogenannter Eventualvorsatz genügt. Hierfür genügt es, wenn der Täter die Steuerhinterziehung billigend in Kauf genommen hat, wobei er sie nicht beabsichtigt haben muss und auch nach steuerrechtlichen Begriffen nicht einwandfrei bewerten können musste. Der Eventualvorsatz und die Leichtfertigkeit (auch als grobe Fahrlässigkeit bezeichnet) liegen als Schuldformen definitionsgemäß nah beieinander, weil beide nicht voraussetzen, dass der Täter den Taterfolg kannte. So meint Leichtfertigkeit, dass eine Person diejenige Sorgfalt nicht beachtet, die jedem hätte einleuchten müssen (BFH v. 17.3.2000 – VII B 39/99, BFH/NV 2000, 1180).
Die Steueranwälte von LHP wiesen in der Praxis darauf hin, dass der BFH als Rechtsinstanz grundsätzlich an die Feststellung des Sachverhalts durch das Tatsachengericht (Finanzgericht) gebunden ist. Dies bedeutet, dass im Rahmen einer Revision nur gerügt werden kann, dass das FG den Rechtsbegriff des Vorsatzes unzutreffend verstanden oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat.
Wer also erst in der Revision die Argumente gegen einen Vorsatz vorträgt, wird meist prozessual scheitern. Daher ist ein pro-aktives Vorgehen bereits viel früher geboten.
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