Zwischen Zivil- und Finanzgerichten besteht im Bereich der USt zur Zeit eine erhebliche Meinungsverschiedenheit mit Auswirkung auf Steuerstrafverfahren:
1. Greift die USt-Befreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen auch dann ein, wenn der Lieferer sich damit wissentlich an einem USt-Betrug beteiligt hat? Z.B. nimmt er Handlungen vor, die darauf abzielen, dass die Person des tatsächlichen Erwerbers verschleiert wird.
2. Gilt die USt-Befreiung für i.g. Lieferungen auch dann, wenn Buch- und Belegnachweise nicht ordnungsgemäß geführt werden, aber objektiv feststeht, dass die i.g. Lieferungen erfolgte?
Zu Frage 1: Das LG Mannheim verneinte diese Frage und verurteilte den Lieferer wegen Steuerhinterziehung (v. 17.9.2008, 25 KLs 605 Js 7769/08-Ak 8/08). Der BFH sah hingegen ernstliche Zweifel, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt (Beschluss v. 29.7.09, XI B 24/09). Der BGH hat diese Frage dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt (1 StR 41/09).
Zu Frage 2: Obwohl der BFH den Buch- und Belegnachweis nicht als materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung wertet (vgl. BFH v. 6.12.2007, V R 59/03), hat der BGH die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung aufrecht erhalten (1 StR 354/08).
Hinweis: Sollte der EuGH die Frage 1 bejahen, dürfte in Deutschland nicht ersatzweise eine Anklage wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung (durch den Erwerber im Ausland) erfolgen. Der ausländische Steueranspruch wird nicht durch deutsches Strafrecht geschützt. Dies ist nur dann der Fall, wenn mit dem ausländischen Staat einen wechselseitige Verbürgung bestehen würde.
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