Die Besteuerung des Rotlichtmilieus: Was bedeutet das Düsseldorfer Verfahren? Vorsicht vor dem Steuerfahnder im Bordell!
Prüfungen der Steuerfahndungsstellen in Bordellbetrieben sorgen regelmäßig für Unruhe bei Kunden (Freiern), Prostituierten und Bordellbetreibern. Spätestens dann, wenn die Steuerfahndung mehrmals im gleichen Bordell erscheint, kann dies erheblich geschäftsschädigend für den Bordellbetrieb und die Prostituierten sein. Hier bietet sich das so genannte Düsseldorfer Verfahren als eine Möglichkeit an, für eine geordnete Besteuerung bei den Prostituierten zu sorgen und „Besuche“ durch die Steuerfahndung zu minimieren.
Nach verschiedenen Schätzungen gibt es deutschlandweit bis zu 400.000 Prostituierte. Diese Zahl beruht auf einer Rückrechnung. Denn es wird angenommen, dass täglich ca. 1,2 Millionen Männer in Deutschland die Dienstleistung von Prostituierten in Anspruch nehmen. Für einen Arbeitstag wird unterstellt, dass eine Prostituierte 3 Freier bedient. Hieraus ergibt sich die vorgenannte Anzahl von 400.000 Prostituierten. Aus dieser Tätigkeit ergeben sich deutschlandweite Umsätze von mindestens 6 Milliarden Euro jährlich, nach anderen Schätzungen sogar bis zu 14 Milliarden €. Somit stellt die Prostitution aus Sicht der Finanzämter eine wichtige potenzielle Steuerquelle dar. Seitdem der Bundesrechnungshof seine Ansicht veröffentlicht hatte, dass die Finanzämter diesen Wirtschaftszweig nicht nachdrücklich besteuern, haben die Finanzverwaltungen in den Bundesländern Initiativen ergriffen, dieses sogenannte Vollzugsdefizit möglichst zu beseitigen.
Den Finanzämtern gelingt es nur in seltenen Fällen, die Prostituierten steuerlich zu erfassen. Dies hat seinen Grund insbesondere in der hohen Fluktuation (Mobilität). Prostituierte wechseln häufig ihren Tätigkeitsort und sind oftmals auch nur zeitweise regional tätig (wie z.B. bei Messen oder sonstigen Veranstaltungen). Selbst wenn nach einer Kontrolle einer Steuerfahndungsstelle die anwesenden Prostituierten steuerlich geführt werden können, so ist dadurch noch nicht die Steuervollstreckung gesichert. Denn im Zeitpunkt der späteren Steuervollstreckung hat sich der Wohnsitz oder Tätigkeitsort häufig bereits geändert.
Aufgrund der vorgenannten praktischen Schwierigkeiten entwickelte die Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf vor mehr als 40 Jahren das so genannte Düsseldorfer Verfahren. Dieses wird heutzutage z. B. in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin praktisch angewandt. Eine bundesweite Anwendung scheitert daran, dass dieses Verfahren gesetzlich nicht verankert ist. Vielmehr ist die Teilnahme freiwillig.
Praxishinweis des Steuerfachanwalts aus Köln: Die Freiwilligkeit einer Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren sollte nicht zu der Annahme verleiten, dass hierdurch die persönlichen steuerlichen Verpflichtungen der Betreiber und Prostituierten erledigt werden. Vielmehr stellen die Zahlungen im Rahmen dieses Düsseldorfer Verfahrens lediglich Vorauszahlungen für die persönliche Besteuerung der Prostituierten dar. Betreiber und Prostituierte müssen trotzdem persönliche Steuererklärungen abgeben, wobei dann die Vorauszahlungen angerechnet werden. Das Düsseldorfer Verfahren führt also lediglich zu einer vorläufigen finanziellen Belastung, wobei in jedem Fall im Rahmen der Jahressteuererklärung die tatsächlich geschuldete Steuer zu zahlen ist.
Checkliste: Wie läuft das Düsseldorfer Verfahren ab?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Jahre 2006 entschieden, dass Steuerfahndungsbeamte Bordelle aufsuchen dürfen, um dort Kunden und Prostituierte nach steuerlich relevanten Umständen zu befragen (Aktenzeichen: VII B 121/06). Hierzu zählt beispielsweise die Frage nach den Preisen, Arbeitszeiten und den Umsätzen. Die Rechtsgrundlage hierzu ist die so genannte Steueraufsicht gemäß § 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO). Ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss ist hierzu nicht erforderlich. Denn der BFH sieht derartige Befragungen nicht als Eingriff in Art. 13 Grundgesetz (Recht an der Wohnung bzw. Hausrecht) an.
Praxishinweis des Steuerfachanwalts aus Köln: Diese Befragungen müssen sich jedoch in Grenzen halten. Nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit dürfen diese Befragungen nur in angemessener Häufigkeit geschehen. Unzulässig wäre es, wenn gezielt ein Bordell unter Druck gesetzt werden sollte, in dem dieses in besonderer Weise häufig Besuch von der Steuerfahndung erhält. Insbesondere darf ein Bordellbetrieb nicht zur Teilnahme an dem freiwilligen Düsseldorfer Verfahren durch eine unverhältnismäßige Kontrolldichte genötigt werden. Das vorgenannte Urteil des BFH führt auch zu der Schlussfolgerung, dass anwesende Prostituierte und Freier verpflichtet sind, den Steuerfahndungsbeamten vor Ort Auskünfte zu erteilen.
Auch wenn Betreiber häufig am Düsseldorfer Verfahren teilnehmen, um "Ruhe" vor zu häufigen Besuchen seitens der Steuerfahndung zu haben, sollen die Kritikpunkte hier nicht verschwiegen werden. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um generelle Betrachtungen, die eine individuelle Beratung durch einen Steuerfachanwalt im Einzelfall nicht ersetzen können.
Das Düsseldorfer Verfahren ist gesetzlich nicht geregelt und ist durchaus kritisch zu sehen. So können im Einzelfall folgende praktischen Probleme entstehen:
Praxishinweis des Fachanwalts für Steuerrecht aus Köln: Da das Düsseldorfer Verfahren bei Bordellbetreibern und Prostituierten teilweise zu Missverständnissen führt, sollte sich der/die Betroffene zunächst z.B. durch einen Fachanwalt für Steuerrecht vor einer Teilnahme beraten lassen. Beispielsweise kann es eine große Enttäuschung bedeuten, wenn später die Vorauszahlungen nicht auf die Jahressteuerschuld angerechnet werden können, weil die Zuordnung aufgrund häufiger Fluktuation oder Verwendung eines Künstlernamens nicht möglich sein sollte. Es ist auch sehr empfehlenswert, dass die Prostituierte für sich selbst genau vermerkt, welche Vorauszahlungen sie geleistet hat. Hierzu sollte sie Quittungen des Bordellbetriebes aufbewahren.
Den Betreiber eines Bordells treffen die Pflichten aus der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Handelt es sich um eine GmbH, so gilt die Körperschaftssteuer statt der Einkommensteuer. Betreiber ist, wer nach außen als Inhaber eines Bordellbetriebes bzw. einer "Modelwohnung" am Markt auftritt. Dieser Auftritt besteht typischerweise in der Schaltung von Werbung in einschlägigen Magazin oder auf Internetseiten.
Praxishinweis des Steueranwalt aus Köln: Da Steuerfahndungsstellen berufsmäßig einschlägige Internetseiten überprüfen, besteht das hohe Risiko, dass die Steuerfahndung zwecks Durchführung des Düsseldorfer Verfahrens "vorbeischaut". Ggf. drohen steuerstrafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen, wenn die steuerlichen Erklärungspflichten bisher nicht bzw. erkennbar nicht zutreffend erfüllt worden sind. Beispielsweise schaut die Steuerfahndungsstelle nach der Anzahl der auf der Internetseite genannten Damen eines Bordells und vergleicht die sich aufgrund einer Schätzung ergebenden Umsätze mit den tatsächlichen Erklärungen.
Der Bordellbetrieb muss seine Einnahmen und Ausgaben vollständig und zeitnah aufzeichnen. Insofern gelten Aufbewahrungsfristen von zehn Jahren.
Hinsichtlich der Steuerarten gilt folgendes, wobei diese Übersicht eine Beratung im Einzelfall nicht entbehrlich macht:
Da der Betreiber der leistende Unternehmer ist, schuldet er die Umsatzsteuer. Hierzu gehören auch die Umsätze der Prostituierten zu 100%. Der Betreiber kann zwar Umsatzsteuer rechtlich Vorsteuerbeträge geltend machen, dies setzt jedoch ordnungsgemäße Eingangsrechnungen voraus.
Die Einkünfte des Betreibers sind einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb und unterliegen daher der Einkommenssteuer. Hierzu zählen insbesondere auch die Zahlungen der Kunden an die Prostituierten zu 100%. Umgekehrt sind allerdings die Zahlungen des Betreibers an die Prostituierten Betriebsausgaben.
Praxishinweis des Steuerberaters aus Köln: Vorsicht Falle: Das Finanzamt kann die Zahlungen des Bordellbetreibers an die Prostituierten vom Betriebsausgabenabzug ausschließen, wenn der Betreiber die Namen der in seinem Betrieb tätigen Prostituierten nicht dem Finanzamt gegenüber benennt. Insofern sollte jeder Bordellbetreiber Beweisvorsorge treffen und die Personalien der Prostituierten aufzeichnen. Dies ist allerdings bekanntermaßen praktisch schwierig, weil viele Prostituierte lediglich mit Künstlernamen auftreten wollen oder gar nicht steuerlich in Erscheinung treten möchten. Diese Prostituierten müssen mit Kontrollmitteilungen rechnen, wenn der Bordellbetreiber die Zahlungen an diese als Betriebsausgaben geltend macht.
Weiterhin muss der Bordellbetreiber Lohnsteuer abführen, wenn die Prostituierten als Arbeitnehmerinnen zu qualifizieren sein sollten. Hierbei kommt es darauf an, ob sie fest in die betriebliche Organisation des Betriebes eingegliedert sind und den Weisungen des Betreibers bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung unterliegen.
Praxishinweis vom Steuerberater aus Köln: Die Einstufung einer Prostituierten als Arbeitnehmerin hat weitreichende Folgen. So ist nicht nur Lohnsteuer durch den Bordellbetreiber abzuführen, sondern auch die Meldung an die Sozialversicherung notwendig und Sozialversicherungsbeiträge sind abzuführen. Ansonsten droht eine Strafbarkeit gem. § 266 b StGB wegen sogenannten Vorenthaltens von Arbeitsentgelt.
Ist der Vermieter kein Bordellbetreiber, sondern tatsächlich nach den Einzelfallumständen steuerrechtlich als Vermieter werten, so unterliegen diese Vermietungseinkünfte der Einkommenssteuer. Die Vermietung ist zudem umsatzsteuerpflichtig, wenn die Räume kurzfristig vermietet werden oder der Vermieter durch organisatorische Maßnahmen den Kontakt mit dem Kunden erleichtert (z.B. durch einen Kontaktraum).
Praxishinweis des Steuerfachanwalts aus Köln: Zu den steuerlichen Nachweispflichten gehört, dass der Vermieter einen schriftlichen Mietvertrag zehn Jahre aufbewahrt. Selbst wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt, so kann bereits der Verstoß gegen diese Aufbewahrungspflicht zu einer empfindlichen Geldbuße bis zu EUR 5.000,00 führen (Ordnungswidrigkeit).
An dieser Stelle sollen erste allgemeine und grundlegende Hinweise gegeben werden, wobei diese im Einzelfall eine Beratung nicht ersetzen können.
Sind Prostituierte steuerlich als Arbeitnehmerinnen zu qualifizieren, so muss bereits der Bordellbetrieb als Arbeitgeber monatlich die Lohnsteuer für die Prostituierte abführen. Darüber hinaus muss die Prostituierte im Rahmen ihrer Jahreserklärung sämtliche Einkünfte erklären, wobei die Lohnsteuer angerechnet wird. Hat sie an dem Düsseldorfer Verfahren teilgenommen, so werden die entsprechenden Vorauszahlungen aus diesem Verfahren angerechnet.
Praxishinweis vom Fachanwalt für Steuerrecht: Ist die Prostituierte Arbeitnehmerin, so besteht oftmals Sozialversicherungspflicht. Im Gegenzug erhält sie z.B. den Krankenversicherungsschutz. Als Selbständige müsste sie selbst entscheiden, ob sie z.B. eine private Krankenversicherung möchte. Oftmals sind die Versicherungsgesellschaften jedoch nicht bereit, Kundinnen dieses Gewerbes zu akzeptieren.
Ist eine Prostituierte hingegen steuerrechtlich als selbständig anzusehen, erzielt sie keinen Arbeitslohn, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese unterliegen der Einkommensteuer, wobei die Prostituierte diese dem Finanzamt gegenüber erklären muss. Darüber hinaus kann eine Umsatzsteuerpflicht entstehen, wenn die so genannte Kleinunternehmergrenze gemäß § 19 UStG überschritten wird. Weiterhin ist die Gewerbesteuerpflicht zu beachten. Hierbei besteht allerdings ein Freibetrag von EUR 24.500,00.
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