Der Beschuldigte war auf einer Steuer-CD/Steuerdaten-CD mit Daten über Kapitalanlagen der Schweizer Bank Credit Suisse benannt. Daraufhin wurde bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt, die jedoch keine Hinweise auf ein Konto bei der besagten Bank ergab. Das Finanzamt änderte am 05.07.2010 die Einkommensteuer des Beschuldigten und seiner Ehefrau für die Jahre 1999 bis 2008 durch eine Hinzuschätzung von Kapitalerträgen und teilte dem Beschuldigten nachträglich zur Begründung mit, dass er seit 18.09.1991 ein Konto bei der Credit Suisse unterhalten habe und er bei der Durchsuchung mehrfach aufgefordert wurde, Unterlagen der Bank anzufordern und vorzulegen. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Die Schätzung sei auf Grundlage eines Kontostandes im Jahr 2007 erfolgt, der 1.841.000 CHF betragen habe. Bei der Hinzuschätzung sei von einer durchschnittlichen Verzinsung von 5 % pro im Jahr ausgegangen worden.
Hiergegen wandte sich der Beschuldigte mit diversen Argumenten. Er rügte die steuerliche Verwertbarkeit der Daten und bemängelt, dass bei Erlass der Bescheide keine nachprüfbare Begründung der Besteuerungsgrundlagen bestanden habe, denn eine Begründung befinde sich weder in den Bescheiden noch anderorts. Die Begründung erschöpfe sich in dem Hinweis auf die Ermittlungen der Steuerfahndung. Ferner sei kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden. Nachdem der Aussetzungsantrag des Beschuldigten abgelehnt wurde, begehrte er im vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutz.
Das Gericht (FG Köln v. 15.12.2010 – 14 V 2484/10) hat dem Begehren des Antragstellers eine Absage erteilt. Die fehlende Begründung und die unterlasse Anhörung vor Erlass der Änderungsbescheide seien nicht geeignet die Rechtswidrigkeit der Bescheide zu begründen.
Dem Beschuldigten sei ausreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den der Besteuerung zugrunde liegenden Tatsachen Stellung zu nehmen. Eine mögliche Verletzung von § 121 Abs. 1 AO und § 91 Abs. 1 AO sei damit gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 AO geheilt und folglich unbeachtlich. Vielmehr sei der Beschuldigte seiner erhöhten Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO nicht nachgekommen, denn durch Vorlage von Kontounterlagen hätte der Sachverhalt transparent gemacht werden können. Er habe solche Vorgänge aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen und hierbei alle für ihn bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Darüber hinaus sei eine Überschreitung des Schätzungsrahmens durch das Finanzamt nicht feststellbar, da diese auf einer nicht unangemessenen Verzinsung von 5 % beruhe.
Ferner liege auch kein steuerlich zu beachtendes Verwertungsverbot für die Daten einer aus der Schweiz herrührenden CD vor. Ein steuerliches Verwertungsverbot liege nach dem BFH nur bei sog. qualifizierten materiell-rechtlichen Verstößen und nicht bei bloßen Verfahrensrechtlichen Mängeln vor. Unter Berufung auf das BVerfG (BVerfG v. 09.11.2010, 2 BvR 2101/09) führt das FG aus, dass kein Mangel vorliege, der zu einem steuerlichen Verwertungsverbot führe.
Bei den Fragen, ob die CD mit den Kontodaten einem steuerlichen Verwertungsverbot unterliegt, ob die Bescheide ausreichend begründet und dem Antragsteller ausreichend rechtliches Gehör gewährt wurde, handelt es sich um sog. Nebenkriegsschauplätze. In der sog. Lichtensteiner Steueraffäre hat bereits das LG Bochum (Az. 2 Qs 10/08 und 2 Qs 2/09) die strafrechtliche Verwertung der Daten zugelassen. Dazu hat das BVerfG (Az.: 2 BvR 2101/09) trotz Nichtannahmebeschlusses Stellung genommen und ausgeführt, dass die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbotes nicht zu beanstanden sei. Ebenso hat das LG Düsseldorf (Az.: 014 Qs – 131 Js, 150/10 – 60/10) in den Credit Suisse Fällen ein strafrechtliches Beweisverwertungsverbot abgelehnt.
Im Kern geht es in der Entscheidung daher um die Reichweite der Anwendung des strafrechtlichen Grundsatzes „in dubio pro reo“ und des sog. „nemo tenetur“-Prinzips im Besteuerungsverfahren. Im Streitfall lagen dem Finanzamt nur Unterlagen vor, die auf eine Kontoeröffnung im Jahre 1991 schließen lassen. Ferner war ein Kontostand aus dem Jahre 2007 bekannt. Über weitere Informationen, insbesondere darüber, ob und in welcher Höhe steuerpflichtige Erträge angefallen sind, verfügte das Finanzamt nicht. Dieser Kernproblematik widmet sich das FG nur am Rande mit wenigen Sätzen, ohne sich mit der Rechtsprechung in diesem Bereich (vgl. BFH, 2.7.1998, BStBl 1999, II 28; BFH, 7.11.2006, VIII R 81/04) oder der Literatur auch nur ansatzweise zu beschäftigen. Es darf bezweifelt werden, ob das FG die Problematik und die damit in Zusammenhang stehenden Fragen der notwendigen Unterscheidung zwischen Beweismaß und Beweislast, überhaupt erkannt hat. Die Entscheidung ist mithin alles andere als überzeugend. Dennoch nutzen die Finanzämter und die Strafverfolgungsbehörden den Beschluss, um Druck auf die Betroffenen auszuüben und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen.
Die Entscheidung ist unzureichend begründet und überzeugt bereits aus diesem Grunde nicht. Der Entscheidung kann ferner entnommen werden, dass das „Klima“ zwischen dem Antragsteller und dem Gericht aus diversen Gründen ganz erheblich belastet war. In geeigneten Fällen sollte der Beschluss des FG Betroffene nicht davon abhalten, den Rechtsweg bei einem anderen Senat/Gericht zu beschreiten. Die weit verbreitete Praxis, bei vermuteter Steuerhinterziehung Steuerschätzung durchzuführen ist in vielen Fällen unzulässig bzw. unzureichend begründet. Lediglich dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerhinterziehung dem Grunde nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, ist eine Schätzung der Steuern der Höhe nach erlaubt. Unabhängig hiervon kann aber – je nach Fallgestaltung - eine Vorlage von Unterlagen und eine Einigung mit den Ermittlungsbehörden durchaus sinnvoll sein.
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