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Schätzung nach Richtsatzsammlung in Steuerstrafverfahren?

In der Praxis wird sich in Schlussbesprechungen mit der Betriebsprüfung kaum Konsens über die Fragwürdigkeit der Richtsatzsammlung herstellen lassen. Das Finanzamt ist als Behörde an die BMF-Richtsatzsammlung als Verwaltungsvorschrift gebunden. Dies gilt aber weder für Finanzgerichte noch Staatsanwälte oder Strafrichter.

Es bestehen Zweifel an der Anwendbarkeit der Richtsatzsammlung. Denn bisher wurde die Datenbasis nicht offengelegt und es bleiben Fragen offen:

  • Wie repräsentativ sind die Daten der Richtsatzsammlung für den konkreten Betrieb und den Ort? Aufgrund welcher Vergleichsbetriebe mit welchen Betriebsmerkmalen sind die Daten erhoben worden (z.B. Größe, Konkurrenzsituation, Lage etc.)?
  • Haben alle Finanzverwaltungen aller Bundesländer anteilig und zeitlich lückenlos Daten an das BMF zur statistischen Auswertung zur Verfügung gestellt? Es kann z.B. ein Schiefes Bild entstehen, wenn ein Bundesland für ein Jahr kein Jahr keine hinreichenden Daten zur Verfügung stellte.
  • Auf welche Weise und nach welchen Maßstäben wurden die Daten durch das BMF ausgewertet und gebündelt?

Bedenken gegen die Anwendbarkeit im Steuerstrafverfahren

Solange diese Fragen nicht geklärt werden, dürfte die Richtsatzsammlung insbesondere auch im keine tragfähige alleinige Grundlage für eine Verurteilung sein. Das BMF führt die Richtsatzsammlung zudem nicht für strafprozessuale Zwecke, so dass bereits im Ansatz die Frage nicht beantwortet ist, warum diese strafprozessualen Anforderungen genügen soll. Trotz dieser Bedenken wird die Richtsatzsammlung in der Praxis im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren angewandt.

Hinweis von LHP: In der Praxis ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Schätzung aufgrund von Sachargumenten erfolgversprechender als eine Diskussion über die Richtsatzsammlung. Dennoch können die hier dargelegten Zweifel thematisiert werden.

Während die Richtsatzsammlung nur auf (unbekannte) Betriebe abstellt, kann die Schätzung mit betrieblichen Besonderheiten erschüttert werden. Ein äußerer Betriebsvergleich genügt als Schätzgrundlage nicht, wenn betriebliche Besonderheiten vorliegen und damit berücksichtigt werden müssen.

Im Steuerstrafverfahren ist die Bedeutung der Richtsatzsammlung allerdings geringer. Die Rechtsprechung hat zwar anerkannt, dass eine strafrechtliche Schätzung im Einzelfall u.U. auch auf die amtliche Richtsatzsammlung gestützt werden darf (vgl. BGH v. 20.12.2016, 1 StR 505/16, Juris). Der Rückgriff auf diese pauschalen Werte ist jedoch nur zulässig, wenn keine Tatsachenbasis für eine Schätzung vorhanden ist. Wenn die Richtsatzsammlung durch den Strafrichter angewandt wird, so muss er den Ansatz des Wertes im Strafverfahren im Einzelfall besonders begründen (BGH v. 20.12.2016, 1 StR 505/16). Diese Begründungspflicht besteht auch bei Wahl des Mittelwertes.

Aus dem BGH-Urteil v. 20.12.2016 ergeben sich folgende Voraussetzungen für die Anwendung der Richtsatzsammlung im Steuerstrafverfahren:

  • Der Strafrichter muss darlegen, dass keine genauere Schätzungsmethode verfügbar ist als die pauschale Richtsatzsammlung.
  • Weiterhin muss der Strafrichter den angewandten Wert laut Richtsatzsammlung begründen. Dies gilt auch für den Mittelwert. Er muss einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang feststellen. 

Die Steuerstrafverteidiger von LHP informieren im Einzelfall über die Unterschiede einer Schätzung im Besteuerungs- und im Steuerstrafverfahren. Während es im Besteuerungsverfahren um eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung handelt, setzt eine Schätzung im Strafverfahren die persönliche Überzeugung des Strafrichters von der Richtigkeit der Schätzung voraus. Doch wann ist eine Schätzung "richtig"? Hierüber lässt sich im Einzelfall trefflich diskutieren.

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