Liegen den Finanzbehörden Informationen über Steuerhinterziehungen in Unternehmen vor, leiten sie diese an die Gewerbebehörde weiter. Im schlimmsten Fall hat das für den Unternehmer zur Folge, dass er nach § 35 Gewerbeordnung (GewO) als unzuverlässig im Sinne des Gewerberechts eingestuft wird, also laut Meinung der Gewerbebehörde nicht mehr gewährleisten kann, sein Gewerbe jetzt und in der Zukunft auf ordnungsgemäße Weise auszuüben. Um einen Unternehmer derart „scharf abzustrafen“ kann sowohl die Ausübung eines erlaubnisfreien Gewerbes untersagt als auch die Gewerbeerlaubnis entzogen werden. Dies kommt in vielen Fällen einem „Todesurteil“ für die betroffene Firma gleich, daher lohnt es sich für jeden Unternehmer, in einem solchen Fall die Zulässigkeit der Maßnahme mit Hilfe eines guten Anwalts zu prüfen. Unsere erfahrenen Steuerrechtsanwälte in Köln sind praxiserfahren, sämtliche steuer-, verfahrens- und gewerberechtlichen Gesichtspunkte zu durchleuchten. Falls geboten, werden sämtliche Einspruchs- und sonstigen Anfechtungsmöglichkeiten sinnvoll und effektiv ausgeschöpft.
Wird das Gewerbeamt durch die Finanzbehörden über Steuerdelikte von Unternehmen in Kenntnis gesetzt, kommt diese Meldung einem Verstoß gegen das Steuergeheimnis gleich, ist also als rechtswidrig zu betrachten. Dennoch wird die gängige Praxis der Finanzbehörden durch die Verwaltungsgerichte gedeckt, da nach deren Rechtsprechung die gemeldete steuerliche Unzuverlässigkeit des Unternehmers bereits eine Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO rechtfertigt (Bundesverwaltungsgericht v. 02.02.1982, Az: I C 146/80; BVerwGE 65,1). Besonders gilt dies bei Straftaten im Sinne des Steuerstrafrechts (siehe Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 17.12.1987, Nr. 3, 4, BStBl I 88,2). Es gehört zur gängigen Praxis, das Verfahren zur Gewerbeuntersagung bzw. zum Widerruf der Gewerbeerlaubnis bereits bei Bestehen eines begründeten Anfangsverdachts einzuleiten und dem Unternehmer erst nach der Einleitung die Möglichkeit einzuräumen, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern oder sich an einen Fachanwalt für Steuerrecht zu wenden, um seinerseits den Rechtsweg zu beschreiten und sich gegen die drohende Gewerbeuntersagung zu wehren.
Praxishinweis des Steueranwalts aus Köln: Nach Prüfung des Einzelfalls gehört zur Beratung auch die Überlegung, welche Rechtsschutzmöglichkeiten in Betracht kommen und möglichst effektiv wirken können. Nicht zuletzt ist hierbei an einen einstweiligen Rechtsschutz zu denken, wenn eine Mitteilung der Finanzbehörde an das Gewerbeamt bevorsteht. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kann das Finanzgericht (u.U. das Amtsgericht) der Finanzbehörde eine Weiterleitung vorläufig untersagen (§ 114 Finanzgerichtsordnung). Hierbei ist zu beachten, dass für die Anfechtung der eigentlichen Gewerbeuntersagung hingegen die Verwaltungsgerichte zuständig sind (je nach Bundesland ist in diesen Fällen jedoch u. U. zunächst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen; nicht in NRW).
Von einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, die mit Gewerbeuntersagung geahndet werden kann, wird ausgegangen, wenn der Gewerbetreibende sich einer oder mehrerer Straftaten im Sinne des Gewerberechts schuldig gemacht hat.
Hierzu gehören beispielsweise schwere Verstöße gegen hygienische oder sicherheitsrechtliche Auflagen, die die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit gefährden, die Förderung von Drogenhandel oder Prostitution oder eine erhebliche Überschuldung des Unternehmens. Kann der Unternehmer seinen vertraglichen oder gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt (Steuerschulden) oder den Sozialversicherungsträgern wie Berufsgenossenschaft oder Krankenkasse nicht mehr nachkommen, liegt ebenfalls der Verdacht nahe, dass er sein Gewerbe nicht mehr ordnungsgemäß ausüben kann.
Bei Steuerdelikten sind die Bußgeld- und Strafsachenstellen (BuStra) angewiesen, in Benehmen mit den festsetzungsberechtigten Finanzbehörden Meldung an die entsprechende Gewerbebehörde zu machen. Diese wird also über eine rechtskräftige Verurteilung aufgrund einer Steuerstraftat in Kenntnis gesetzt, ebenso über einen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit ergangenen Bußgeldbescheid. Nach den internen Verwaltungsvorschriften soll das Steuerdelikt jedoch nur dann gemeldet werden, wenn es aufgrund seiner Schwere allein für sich schon die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Unternehmens ergibt (AStBV [St] Teil 4, Abschnitt 10, Nr. 141 Absatz 1a) ). Ist die Steuerverkürzung also so erheblich, dass sie als gewerbebezogen gilt, kann sie die Gewerbeuntersagung zur Folge haben, selbst wenn es sich um eine einmalige und die einzige Straftat handelt.
Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer, Lohnsteuer oder Gewerbesteuer ist die Gewerbebezogenheit in aller Regel gegeben. Bei Einkommensteuerhinterziehungen wird von der Gewerbebezogenheit insbesondere dann ausgegangen, wenn eine Hinterziehung im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG vorliegt (Bundesfinanzhof –BFH-, 10.01.87, VII R 77/84, BStBl II 87, 545, 550). Fällt die Steuerverkürzung in den Bereich anderer Steuerarten, wird die Gewerbebezogenheit dann angenommen, wenn der Unternehmer durch die Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Verkürzung in den Genuss von Wettbewerbsvorteilen gekommen ist. Natürlich wird der Verdacht der steuerlichen Unzuverlässigkeit laut § 35 Absatz 1 GewO umso dringender, je mehr gewerbebezogene steuerliche Rückstände wegen Steuerstraftaten oder steuerrechtlicher Ordnungswidrigkeiten vorliegen. Ein einziger Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit kann allerdings nur in den seltensten Fällen eine steuerliche Unzuverlässigkeit begründen. Die geringe Schwere der Tat steht in keinem Verhältnis zu Maßnahmen wie einer Meldung oder der Einleitung eines Verfahrens zur Gewerbeuntersagung. Eine Mitteilung an die Gewerbeaufsichtsämter durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle (BuStra) greift in den geschützten Bereich des Steuergeheimnisses ein (§ 30 Absatz 2 Nr. 1a AO), darf also nur bei ausdrücklicher Zulassung laut § 30 Absatz 4 Nr. 1, 2, 4, 5 oder Absatz 5 erfolgen. Geht es um eine Steuerhinterziehung, kann hier allenfalls § 30 Absatz 4 Nr. 5 AO herangezogen und ein zwingendes Interesse der Öffentlichkeit an der Offenbarung der Tat geltend gemacht werden.
Nach Meinung des BFH bestätigt die gängige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, dass gewerbliche Unzuverlässigkeit auch durch die Verletzung von Steuerpflichten begründet werden kann. Das "zwingende öffentliche Interesse" wird damit begründet, dass die Unzuverlässigkeit nicht berücksichtigt und auf angemessene Art verfolgt werden könne, wenn sie nicht auch über § 30 AO an die Gewerbebehörden gemeldet werden dürfe. Laut Ansicht des BFH dient eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO zudem dem Schutz der Allgemeinheit (BStBl II 87,545, 549): Deren Vertrauen in Steuergerechtigkeit sowie Redlichkeit von Geschäftsverkehr und Behördenarbeit könne durch die Nichtverfolgung einer Vielzahl von Steuerstraftaten erschüttert werden. Nur, wenn die Gewerbeämter eine Meldung erhalten, können sie tätig werden, im Interesse des Vertrauens der Allgemeinheit die Steuersünden von Unternehmern durch Gewerbeuntersagung angemessen ahnden und so auch Störungen der wirtschaftlichen Ordnung vorbeugen. Strittig sind diese Ausführungen insofern, als sie über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hinausgehen. Hier kann die Auslegung des BFH also durchaus angezweifelt und auch angefochten werden.
Das Steuergeheimnis gehört zum Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung (Artikel 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 GG; BVerfGE 65, 1, 41 ff). Hieraus lässt sich unseres Erachtens die Unzulässigkeit von Generalklauseln als Befugnisnorm für Offenbarungen folgern. Hiermit wird Behörden ein unzulässig weiter Spielraum gegeben, so dass das Verhalten der Behörde in jedem Einzelfall kontrolliert und sie notfalls gerichtlich in die Schranken verwiesen werden muss. In § 30 Absatz 4 Nr. 5 AO werden drei Fallgruppen als Beispiele angegeben, bei denen die Befugnis zur Offenbarung gegeben ist. Ausdrücklich geregelt ist hier die Offenbarungsbefugnis bei Verbrechen und vorsätzlichen, schweren Vergehen, zur Richtigstellung von Tatsachen, die in der Öffentlichkeit unwahr verbreitet worden sind, und zur Ahndung von Wirtschaftsstraftaten, die durch ihre Schwere das Vertrauen der Allgemeinheit in die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs sowie in die wirtschaftliche Ordnung erheblich erschüttern können. Durch diese Beispiele hat der Gesetzgeber Anhaltspunkte dafür vorgegeben, wann bei anders gelagerten Fällen das Allgemeine Wohl ebenfalls schwere Nachteile zu erwarten hätte (BFH, BStBl II 87,545, 548; Goll NJW 79, 90, 93). Eindeutig sieht der Gesetzgeber also schwere Nachteile für das Allgemeinwohl im Bereich der schweren Kriminalität im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 5a und 5b AO. Jedoch sind 90 Prozent aller Steuerhinterziehungen im Bereich der leichten bis mittleren Kriminalität angesiedelt und hier legt die Wertung des Gesetzgebers keine Nachteile von ausreichender Schwere nahe, um daraus eine Offenbarungsbefugnis herzuleiten, die letztendlich zur harten „Strafe“ der Gewerbeuntersagung führen kann. Anders als die frühere Reichsabgabenordnung (RAO), in der nur der vage Rechtsbegriff des zwingenden öffentlichen Interesses aufgeführt ist, enthält der § 30 AO die genannten Fallgruppen von besonderem Gewicht, bei denen Offenbarungspflicht besteht.
Hinweis vom Fachanwalt für Steuerrecht aus Köln: Die besondere gesetzgeberische Aufzählung erschwert die Durchbrechung des Steuergeheimnisses in erheblicher Weise. Dies bedeutet, dass die Finanzbehörde eine gewichtige Begründung für die Durchbrechung des Steuergeheimnisses geben muss, die sich auf Tatsachen und nicht nur auf Vermutungen stützt.
Der strenge Schutz des Steuergeheimnisses sowie die hohen Hürden zu dessen Durchbrechung durch die Offenbarung von Steuerdelikten werden in der gängigen Praxis vielfach durch die Finanzbehörden umgangen. Anstatt sich an den engen, durch Fallgruppen eindeutig geregelten Grenzen zu orientieren, wird auf die Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle hingewiesen und so ein vager, allgemeiner Bezug zum zwingenden öffentlichen Interesse hergestellt. Tatsächlich muss jedoch jede Steuerhinterziehung als Einzelfall betrachtet und anhand der Gesetzesgrenzen bewertet werden, wenn geprüft werden soll, ob die daraus zu erwartenden Nachteile für das öffentliche Wohl eine Offenlegung und damit die Durchbrechung des Steuergeheimnisses rechtfertigen. Es geht bei jeder Offenbarung um einen einzelnen Steuerzahler, daher darf es auch ausschließlich um den Schaden gehen, der durch dieses bestimmte Delikt verursacht wird. Das Steuergeheimnis darf nur durchbrochen werden, wenn sich der Einzelfall einer der Fallgruppen zur Offenbarungspflicht zuordnen lässt.
Der Konflikt lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das Steuergeheimnis darf nicht verletzt werden, Straftaten müssen jedoch mitgeteilt werden, damit sie verfolgt werden können. Ein Steuerdelikt darf also nicht offenbart werden, es sei denn, es wäre als Straftat schwer genug und hier legt der BFH die Befugnis zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses viel weitergehend und ganz klar anders aus als vom Gesetz vorgesehen. Laut § 30 Absatz 5 Nr. 5b AO bedarf es zur Offenbarungsbefugnis neben dem zwingenden öffentlichen Interesse weiterer Voraussetzungen, die nur bei Fällen von großem Ausmaß, erheblicher Schadenshöhe oder einer Vielzahl von Geschädigten in Betracht kommen. Neben den bereits erwähnten schweren Nachteilen für wirtschaftliche Ordnung, Wohl und Vertrauen der Allgemeinheit und ordnungsgemäße Behördenarbeit können auch erhebliche Auswirkungen auf eine Anlegermehrheit oder Mehrzahl der Zulieferer des Unternehmens die Offenbarung des Delikts und die Einleitung des Verfahrens zur Gewerbeuntersagung begründen (Franzen/Gast/Joecks, § 393 Rz 85). Natürlich ist bei einer Steuerhinterziehung auch die Höhe der verkürzten Steuerschuld maßgeblich. Werden Beträge hinterzogen, die so hoch sind, dass durch die Straftat das wirtschaftliche Gefüge erheblich erschüttert und gestört wird, darf dieses gemäß § 30 Absatz 5 Nr. 5b AO gravierende Delikt zur Verfolgung gemeldet werden. Hier geht es jedoch um Beträge in Millionenhöhe, wie sie beispielsweise im Bereich von Drogenschmuggel und internationaler organisierter Kriminalität vorkommen.
Nehmen die Straf- und Bußgeldsachenstellen (BuStra) einen Bußgeldbescheid oder eine Verurteilung wegen Steuerverkürzung in einem nicht hochgradig kriminellen Ausmaß zum Anlass, dies den Gewerbebehörden zu melden, handeln sie nach unserer Ansicht rechtswidrig. Trotzdem entsprechen diese Durchbrechungen des Steuergeheimnisses der gängigen Verwaltungspraxis und Rechtsprechung und haben vielfach die Einleitung des Verfahrens zur Gewerbeuntersagung zum Ziel. Unternehmer, gegen die eine rechtskräftige Verurteilung oder ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid wegen Steuerverkürzung vorliegt, sollten unbedingt zeitnah über einen Steueranwalt oder Steuerberater mit der BuStra Kontakt aufnehmen und klären, ob eine Mitteilung an die Gewerbebehörde geplant ist.
Praxishinweis des Rechtsanwalts und Steuerberaters aus Köln: Falls eine Mitteilung zu erwarten ist, sollte sofort unter Hinweis auf das Steuergeheimnis und den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung gesetzt werden. Verstreicht diese Frist fruchtlos, kommt ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung bei Gericht in Betracht.
Weiterhin geht die Bustra das Risiko ein, ggf. wegen Amtshaftung Schadenersatz leisten zu müssen. Daneben ist ein Strafverfahren gegen die jeweiligen Amtsträger wegen Verletzung des Steuergeheimnisses gem. § 355 StGB nicht ausgeschlossen.
Die Offenbarung von Steuerdelikten einfach hinzunehmen ist die denkbar schlechteste Möglichkeit, denn nur durch Widerspruch und entschlossene Gegenmaßnahmen kann sich die umstrittene Rechtsprechung in diesem Bereich ändern lassen.
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