1. Umsatzsteuerrechtliche Ausgangslage
Nach der Steuerbefreiungsvorschrift des nationalen § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG sind umsatzsteuerfrei die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 2 des Kapitalanlagegesetzbuches, die Verwaltung von alternativen Investmentfonds im Sinne des § 1 Abs. 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs und die Verwaltung von Versorgungsreinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes.
Die nationale Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG beruht auf Artikel 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, welcher zwei Voraussetzungen hat. Danach muss es sich zunächst um eine „Verwaltungsleistung“ handeln, welche sich sodann auf die Verwaltung eines „Sondervermögens“ bezieht. Insoweit sind die Tatbestandsvoraussetzungen der beiden Vorschriften deckungsgleich.
Ein Organismus für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere (kurz: OGAW) fällt unstreitig und den Begriff des „Sondervermögens“ im Sinne der genannten Befreiungsvorschrift in der MwStSystRL. Hierbei handelt es sich im Ergebnis um Wertpapierfonds. Ausweislich der nationalen Regelung in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG sind darüber hinaus aber auch alternative Investmentfonds (kurz: AIF) vom Anwendungsbereich der Norm erfasst. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Immobilienfonds, Kryptofonds oder Private Equity Fonds.
Für die Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fordert der EuGH darüber hinaus, dass das in Rede stehende Sondervermögen (AIF) mit einem OGAW vergleichbar ist.
2. Entscheidung des EuGH (Urt. v. 05.09.2024 – Rs. C-639/22 bis C-644/22)
Im vorliegenden Streitfall hatte der EuGH nun über die Frage zu entscheiden, ob die Voraussetzung der Vergleichbarkeit im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL bei Verwaltungsleistungen gegenüber niederländischen Rentenfonds aus dem Bereich betrieblichen Altersvorsorge erfüllt ist. Die niederländischen Rentenfonds haben Vermögensverwaltungsleistungen eines außerhalb der Niederlande ansässigen Vermögensverwalters in Anspruch genommen. Die klagenden Vermögensverwalter waren der Auffassung, dass Rentenfonds mit OGAW im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL vergleichbar sind. Konkret handelte es sich um branchenspezifische Betriebsrentenfonds, Pflicht-Berufsrentenfonds und um einen Unternehmensrentenfonds.
Die Vergleichbarkeit mit OGAW setzt nach Auffassung des EuGH insbesondere voraus, dass die Anleger das Anrecht auf Gewinne aus dem Sondervermögen haben und das Anlagerisiko tragen. Der EuGH hat im hiesigen Streitfall in Bezug auf das Anlagerisiko seine Auslegung nunmehr in der Weise konkretisiert, dass nicht jedes auch nur geringfügige Anlagerisiko ausreichend ist. Vielmehr setzt der EuGH auch insoweit den Maßstab der Vergleichbarkeit an und konkretisiert diesen insoweit. Auch das Risiko der Anleger in einem Rentenfonds muss mit dem Risiko eines OGAW-Anlegers vergleichbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Rentenzahlungen maßgeblich von den Ergebnissen der Anlagen abhängen.
Im Ergebnis überlässt der EuGH die Entscheidung, ob eine Vergleichbarkeit der Rentenfonds mit OGAW gegeben ist, dem nationalen Gericht. Gleichwohl lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass nach Auffassung des EuGH die Arbeitnehmer, welche in den Rentenfonds einzahlen, kein solch „maßgebliches“ und vergleichbares Anlagerisiko tragen.
Darüber hinaus stellt der EuGH klar, dass Verwaltungsleistungen an Fonds jedenfalls dann steuerfrei sind, wenn die Verwaltung vergleichbarer Fonds in dem jeweiligen Mitgliedstaat steuerfrei gestellt werden. Daraus folgt, dass ein Fonds auch mit diesen von dem Mitgliedstaat steuerfrei gestellten Fonds verglichen werden kann, um die Umsatzsteuerbefreiung zu erlangen.
3. Fazit und Folgen für die Praxis
In der Praxis ist immer wieder umstritten, wie weit die Steuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und der korrespondierenden nationalen Regelung für die Umsatzsteuerbefreiung von Investmentvermögen reicht. Im Kern geht es hierbei um die Auslegung des (unionsrechtlichen) Begriffes des Sondervermögens und unter welchen Voraussetzungen „alternative Fonds“ mit den OGAW vergleichbar sind. Der EuGH konkretisiert das Kriterium der Vergleichbarkeit des Anlegerrisikos um einen weiteren Aspekt. Ein nur geringfügiges Anlegerrisiko reicht danach wohl nicht aus, um eine Vergleichbarkeit mit OGAW herstellen zu können.
In Deutschland dagegen hat der Gesetzgeber die Voraussetzung der Vergleichbarkeit zwischen OGAF und AIF mit Wirkung zum 01.01.2024 aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG gestrichen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die nationale Regelung des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG mit dem Unionsrecht im Einklang steht. Der Einwand der Unionsrechtswidrigkeit gegenüber dem deutschen Fiskus könnte für Verwalter eine in Erwägung zu ziehende Alternative sein (Stichwort: Vorsteuerabzug!).
Das am 05.09.2024 ergangene EuGH-Urteil kann dagegen für vor dem 01.01.2024 betroffene Streitfälle (unmittelbar) relevant sein. Denn hier war das Merkmal der Vergleichbarkeit noch im Gesetzestext enthalten.
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