Die Praxis der Steuerberatung bringt laufend neue Regelungen, die auch auf ihre steuerstrafrechtlichen Auswirkungen geprüft werden sollten. Hier geht es nun um die elektronische Bearbeitung der Steuererklärung, wenn Dritte dem Finanzamt Daten mitgeteilt haben.
Die Finanzämter führen die vollautomatisierte Veranlagung ein. Dies bedeutet, dass möglichst keine manuellen Schritte bei der Bearbeitung der Steuererklärung mehr erforderlich sind. Der Gesetzgeber hat hierzu letztes Jahr in der Abgabenordnung (AO) rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen. Kernregelung ist § 155 Abs. 4 AO. Diese Norm regelt die Befugnis, ein automationsgestütztes Verfahren einzuführen.
Daneben wurden unter anderem die Regelungen der § 93c AO und § 150 Abs. 7 S. 2 AO mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 eingeführt. § 93c AO sieht vor, dass bestimmte Dritte besteuerungsrelevante Daten betreffend Steuerpflichtige an die Finanzverwaltung übermitteln müssen. Hierzu zählen bspw. Rentenbezugsmitteilungen (§ 22a Abs. 1 EStG), Lohnsteuerbescheinigungen (§ 41b Abs. 1 EStG) und Lohnersatzleistungen (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diese Übermittlungspflicht wird durch die Norm des § 150 Abs. 7 S. 2 AO flankiert. Nach dieser Regelung gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung mitgeteilt wurden, als Angaben des Steuerpflichtigen (Fiktion), soweit er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht. Ziel der Fiktionsregelung war erstens eine Vereinfachung der Steuererklärung für den Steuerpflichtigen, indem er die durch Dritte mitgeteilten Daten nicht selbst nochmals erklären muss. Zudem soll der Steuerpflichtige Rechtssicherheit erhalten, da die Norm bewirkt, dass die Nichterklärung der durch Dritte mitgeteilten Daten nicht als Verletzung einer steuerlichen Mitwirkungspflicht angesehen wird. Vielmehr gilt die Steuererklärung auch bei Nichtangabe dieser Daten als vollständig.
Hinweis von LHP aus Köln: Zu der Neuregelung gibt es selbstverständlich noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Daher kann im Moment nicht rechtssicher beurteilt werden, ob und inwiefern sich Auswirkungen der Neuregelungen auf das Steuerstrafrecht geben.
Beispiel: Die Rentenversicherung teilt die Höhe der Rente des R für 2017 zutreffend der Finanzverwaltung mit und informiert den R hierüber. R gibt eine eigene Steuererklärung für 2017 ab. In dieser erklärt er die Renteneinkünfte nicht und seine Einkünfte aus Vermietung nur zum Teil.
Lösung: Hinsichtlich der mitgeteilten Renteneinkünfte gilt die steuerliche Fiktionswirkung, dass diese als erklärt gelten. Da die Vorschriften zur Erklärungsabgabe relevant sind zur Feststellung, ob eine unvollständige oder fehlende Erklärung i.S.d. § 370 AO vorliegt, muss die Fiktionswirkung des § 150 Abs. 7 S. 2 AO konsequenterweise auch strafrechtlich berücksichtigt werden (hierzu gibt es jedoch noch keine Rechtsprechung). Daher gelten die Renteneinkünfte als erklärt und insoweit liegt keine Tathandlung vor. Nur dann, wenn R meint, dass die Rentenversicherung die Renteneinkünfte nicht dem Finanzamt mitteilt, könnte ein strafbarer untauglicher Versuch der Hinterziehung vorliegen. Eine solche subjektive Vorstellung dürfte jedoch angesichts der Nachricht der Rentenversicherung gegenüber R fern liegen, so dass ein Versuch ausscheidet. In Bezug auf die teilweise nicht erklärten Vermietungseinkünfte liegt allerdings eine Hinterziehung vor.
Die entlastenden Wirkungen der Mitteilungen Dritter sind bisher rechtlich ungeklärt. Diese können nur im Einzelfall eingeschätzt werden.
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