Wenn das Finanzamt Vorsatz und damit eine Selbstanzeige annimmt. setzt es am Ende auch Hinterziehungszinsen fest (6% pro Jahr). Oft kann aber streitig sein, ob Vorsatz vorliegt oder nicht.
Wenn der Steuerpflichtige den Vorsatz bestreitet, weist er faktisch den Schutzschirm einer strafbefreienden Selbstanzeige gem. § 371 AO zurück. In den Fällen, in denen Vorsatz sehr fern liegt, ist dann das Risiko eines Strafverfahrens deutlich geringer als in den Fällen, in denen der Vorsatz nicht eindeutig beurteilt werden kann. Dann kann es vorteilhaft sein, den Weg des Finanzamtes, eine strafbefreiende Selbstanzeige anzunehmen, zu akzeptieren. Doch kommt es stets auf den Einzelfall an. Hierzu gibt Rechtsanwalt Dirk Beyer von LHP ein paar Hinweise für die Paxis:
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist ein Verwaltungsakt. Daher ist der Einspruch der statthafte Rechtsbehelf. Hinterziehungszinsen setzen eine Hinterziehung voraus. Das Finanzamt trifft die Feststellungslast ("Beweislast") für das Vorliegen der Hinterziehung, also für den Vorsatz.
Die Zahlung der Zinsen einschließlich Hinterziehungszinsen ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 3 S. 1 AO. Eine Ausnahme gibt es nur bei Selbstanzeige betreffend unterjährigen Steueranmeldungen wie z.B. monatliche USt-Voranmeldungen). Ein Einspruchsverfahren gegen die Hinterziehungszinsen und die Nichtzahlung betrifft daher in diesen Fällen die Wirksamkeit einer Selbstanzeige gem. § 371 AO. Ohne Zinszahlung kann die Wirksamkeit niemals eintreten. Ist eine Nacherklärung jedoch zunächst unzutreffend als Selbstanzeige gewertet worden, kann bei guten Argumenten ein Einspruch Sinn machen. Der Mandant sollte dann wissen, dass das Strafverfahren dann zunächst offen bleibt und auch dort die Frage der Hinterziehung zu klären ist.
In den Fällen hingegen, in denen eine Zinszahlung keine Wirksamkeitsvoraussetzung gem. § 371 Abs. 3 AO ist (z.B. Selbstanzeige wegen unterjährigen USt-Voranmeldungen, LSt-Anmeldungen), stellt sich die Frage, ob ein Einspruch gegen Hinterziehungszinsen auch dann die Wirksamkeit der Selbstanzeige in Frage stellen kann. Dies ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Im Einzelfall sollte einkalkuliert werden, dass die Staatsanwaltschaft, die über die Wirksamkeit der Selbstanzeige entscheidet, dem Steuerpflichtigen möglicherweise widersprüchliches Verhalten vorwirft, wenn er im Einspruchsverfahren eine Hinterziehung bestreitet. Nach hier vertretener Ansicht liegt jedoch kein widersprüchliches Verhalten oder gar ein Widerruf der Selbstanzeige vor solange der Steuerpflichtige nicht die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen bestreitet sondern sich nur argumentativ gegen die strafrechtlichen Voraussetzungen einer Hinterziehung wehrt (z.B. fehle die Tathandlung oder der Vorsatz). Zudem muss der Steuerpflichtige seine Nacherklärung nicht als Selbstanzeige bezeichnen, so dass seine frühere eigene Qualifikation einer Nacherklärung als Selbstanzeige irrelevant ist und nun in seinem Einspruch kein Widerspruch oder Widerruf gesehen werden kann. Vielmehr handelt es sich bei einer Selbstanzeige lediglich um eine Wissenserklärung betreffend Besteuerungsgrundlagen (Materiallieferung) und die Bewertung als Selbstanzeige oder bloßer Nacherklärung obliegt der Staatsanwaltschaft (Rechtsanwalt Dirk Beyer in der Fachzeitschrift NWB 40/2016, S. 3041). Es gibt zahlreiche Nacherklärungen, die entgegen einer ersten Befürchtung des Steuerpflichtigen bzw. des Steuerberaters tatsächlich keine Selbstanzeige sondern nur eine schlichte Nacherklärung sind.
Hinweis von LHP: Es sollte gesehen werden, dass hingegen ein Bestreiten des Steueranspruchs dem Grunde nach die Wirksamkeit einer Selbstanzeige berühren kann (vgl. LG Heidelberg v. 26.11.2012 – 1 Qs 62/12, wistra 2013, 78; Heuel, AO-StB 2013, 134). Diese Ansicht ist jedoch umstritten.
Die Steueranwälte von LHP weisen darauf hin, dass in der Praxis Selbstanzeigen von bloßen Berichtigungserklärungen unterschieden werden sollten. Ob sich Einsprüche gegen Hinterziehungszinsen lohnen, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Generell gilt, dass die Vorbereitung und Begleitung von Berichtigungserklärungen und Selbstanzeigen gut geplant werden sollte. Ein solches professionelles Management ist trotz der gesetzgeberischen Verschärfungen in der Regel immer noch möglich, wenn die jeweiligen Fallstricke beachtet werden.
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