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Cum-Ex-Geschäfte - Steuerskandal im Visier von Politik und Staatsanwaltschaft

Cum-Ex-Geschäfte beschäftigen seit langem die Politik, Ermittlungsbehörden sowie Finanz- und zunehmend Strafgerichte. Dies verwundert nicht. Im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften wird mittlerweile sogar vom größten Steuerskandal in der Geschichte Europas gesprochen. Der Steuerschaden für den deutschen Fiskus wird in der Öffentlichkeit teilweise in zweistelliger Milliardenhöhe beziffert. Mit weiteren Ermittlungsmaßnahmen ist zu rechnen. Mehr noch, die Staatsanwaltschaft Köln geht bereits einem neuen Fall nach: "Cum Fake".

Die Beteiligten (insbesondere vermögende Privatpersonen und Banken) erlangten durch gezielte Aktiengeschäfte oft nicht nur eine legale Steuerminderung, sondern in einigen Fällen eine unberechtigte Auszahlung von Steuern, die ursprünglich gar nicht erhoben wurden. Zwar sind die Geschäfte seit dem 1. Jänner 2012 infolge von Gesetzesänderungen so nicht mehr möglich, die Aufarbeitung wird die Ermittlungsbehörden und Gerichte voraussichtlich noch lange Zeit in Anspruch nehmen. Da das Thema auch in der Politik als ein Dauerbrenner angekommen ist, wird sich der Ermittlungsdruck noch erhöhen. 

Wie funktionieren die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte? 

Bei Cum-Ex-Geschäften handelt es sich allgemein um Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag einer Aktiengesellschaft. Einmal im Jahr beschließt eine Aktiengesellschaft ihre Gewinnverwendung durch Beschluss. Durch die Ausschüttung der Dividende fällt die sog. Kapitalertragsteuer an, die von der Aktiengesellschaft an der Quelle einbehalten und abgeführt wird. Unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG besteht für den Aktionär normalerweise die Möglichkeit, sich diese Erhebung der Kapitalertragsteuer bei der persönlichen Veranlagung mithilfe einer Steuerbescheinigung anrechnen zu lassen.  Bei den Geschäften wird der Verkauf von börsennotierten Aktien mit („cum“) Dividendenanspruch vertraglich vor dem Dividendenstichtag vereinbart, die Aktien werden allerdings ohne („ex“) Dividendenanspruch am Folgetag des Stichtags geliefert. Der Erwerber, dem nur Aktien ohne Dividendenanspruch geliefert werden, erhält im Wege der Dividendenregulierung eine Kompensation in Höhe der Bruttodividende. Um unberechtigte Steuerrückzahlungen zu verhindern, ist folgendes Prozedere vorgesehen: Auf Seiten des Veräußerers wird grundsätzlich ein sog. Sperrvermerk von der depotführenden Bank eingetragen, welcher die Auszahlung der Dividende und den Erhalt einer Steuerbescheinigung für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer verhindert. Diese Vorgehensweise wird in den problematischen Fällen jedoch ausgehebelt. Durch die gezielte Zwischenschaltung eines sog. Leerverkäufers konnte die doppelte, sogar mehrfache Anrechnung von Kapitalertragsteuern erreicht werden. In diesem Fall wurde beim Veräußerer kein Sperrvermerk eingetragen, beim Leerverkäufer konnte er mangels Aktienbestand keine Wirkung entfalten. Aufgrund des bis zum 01.01.2012 geltenden Systems der Kapitalertragsteuer und den Börsenusancen folgte aus diesem Ablauf, dass der Fiskus irrtümlich sowohl den Veräußerer als auch den Erwerber gleichzeitig als Inhaber derselben Aktien im Zeitpunkt des Dividendenstichtags identifizierte. Beide machten daraufhin die Anrechnung der Kapitalertragsteuer geltend. Erhoben wurde die Steuer allerdings nur einmal.

Wie ist die Rechtslage?

Cum-Ex-Geschäfte: Schlupfloch bei der Besteuerung von Aktiendividenden zwischen steuerlicher Anerkennung, Gestaltungsmissbrauch und schwerer Steuerhinterziehung

Die Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte erweist sich als äußerst kompliziert. Dies zeigt sich alleine daran, dass der Gesetzgeber durch die Änderung des Erhebungssystems bei der Kapitalertragsteuer bereits mit Wirkung zum 01.01.2012 einen Riegel vor diese Geschäfte geschoben hat. Dennoch gibt es bei heute keine strafrechtlichen Verurteilungen.

Zu Beginn der Aufdeckung der Cum-Ex-Geschäfte mehrten sich die Stimmen, die eine doppelte Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer aufgrund einer Gesetzeslücke ausnahmslos für rechtmäßig hielten. Die Finanzverwaltung steht seit jeher auf dem Standpunkt einer generellen Aberkennung des mehrfachen Anspruchs (sie begründet dies mit der Missbrauchsnorm des § 42 AO). Die finanzgerichtliche Rechtsprechung stellt die Gegebenheiten des Einzelfalls in den Vordergrund und verweigert unter gewissen Umständen des Einzelfalls die steuerliche Anerkennung. Eine ausnahmslose Anerkennung einer mehrfachen Anrechnung bzw. Erstattung kann daher heutzutage nicht mehr vertreten werden.

Die Bundesregierung hat ebenfalls ihre steuer- und steuerstrafrechtliche Ansicht geäußert (BT-Drs. 17/13638). Eine strafbewehrte Steuerhinterziehung kommt demnach dann in Betracht, wenn der Erwerb der Aktien aus einem Leerverkauf stammt, der über ein ausländisches Kreditinstitut abgewickelt wurde und der Erwerber sich darüber bewusst war, dass ein Leerverkauf zugrunde lag, bei dem eine Erhebung der Kapitalertragsteuer auf die Dividendenkompensation unterblieb. Der Erwerber muss weiterhin die Finanzbehörde über den Leerverkauf getäuscht oder diesen verheimlicht haben.

Anmerkung: Die Verdächtigen versuchen den Vorwurf der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung abzuwehren, indem sie regelmäßig behaupten, „nichts von dem Erwerb aus einem Leerverkauf gewusst zu haben“.

Cum Fake - Neuer Skandal mit Phantom-Aktien?

Aktuell geht die Staatsanwaltschaft Köln bisher unbekannten Scheingeschäften nach, mit denen sich Aktienhändler, Banker und wohlhabende Geldgeber Steuer-Erstattungen erschlichen haben könnten. Konkret gehe man der Frage nach, ob in den beschriebenen Geschäften - für den neuen Skandal rum um Phantom-Aktien wurde der Begriff "Cum Fake" geprägt - neben Cum-Ex ein weiteres Modell liegen könnte, mit dem illegal die Kapitalertragssteuer gezogen wurde, indem man sich mit in den USA gehandelten Scheinpapieren außerhalb der USA Steuern erstatten ließ, die man nie bezahlt hat. RA Dirk Beyer von LHP Rechtsanwälte Steuerberater äußerte sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt zum Missbrauch von Phantom Aktien (Cum Fake).

Das Bundesfinanzministerium äußerte sich zur Causa wie folgt: "Die Recherchen der Medien weisen auf einen ernsten Vorgang hin. Das Bundesfinanzministerium geht diesen Vorwürfen mit Hochdruck nach und arbeitet dabei eng mit dem Bundeszentralamt für Steuern, das für die Erstattung von Kapitalertragsteuern zuständig ist, sowie mit den zuständigen Stellen der Bundesländer zusammen."

Durchsuchungen und erste Anklage - Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung

Die finanz- und steuerstrafgerichtliche Beurteilung der Cum-Ex-Geschäfte steht noch relativ am Anfang. Der Bundesgerichtshof (vom 16.04.2014 - I R 2/12) hat erstmals hierzu entschieden und eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf Erwerberseite für den Fall eines „modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzepts“ abgelehnt. Allerdings sei das Vorliegen eines solchen Konzepts stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Das Finanzgericht Hessen (vom 10.03.2017 - 4K 977/14) geht sogar einen Schritt weiter und verweigert generell die Anrechnung des Aktienerwerbers, sobald seinem Erwerb ein Leerverkauf zugrunde lag. Eine Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofes steht indes noch offen und ist wünschenswert, denn ansonsten drohen die Strafgerichte mit der Überholung der Beurteilung der höchst komplexen Cum-Ex-Geschäfte. So hat das Landgericht Köln (vom 16.07.2016 - 106 Qs 1/15) einen Anfangsverdacht wegen Steuerhinterziehung in den Anträgen auf Erstattung der Kapitalertragsteuer bereits bejaht. Mittels der gestellten Anträge wurden unrichtige Tatsachen über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht.

Die strafrechtlichen Verfolgungsbehörden stehen nun allerdings vor der schwierigen Aufgabe, die von der Bundesregierung geforderten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung im Einzelfall nachzuweisen. Im Fokus der Ermittlungen steht insbesondere der anrechnende Aktienerwerber, dessen Erwerb aus einem Leerverkauf stammte. Daneben waren regelmäßig auch andere Personen und Institutionen an den Vorgängen beteiligt. Es stehen daher auch Strafbarkeiten wegen der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung für den Leerverkäufer, den Veräußerer der Aktien, die Depotbanken und für die steuerlichen Berater im Raum.

Seit 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen Beteiligte an Cum-Ex-Geschäften. Für das Auffinden von geeigneten Beweismaterialien wurden in den letzten Jahren unter anderem namenhafte Anwaltskanzleien sowie Banken und Unternehmen flächendeckend durchsucht. Die nötigen Querverbindungen zwischen den Beteiligten aufzudecken und deren Kenntnis positiv nachzuweisen, stellt sich allerdings als schwierig heraus.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat nach jahrelangen Ermittlungen die erste Anklage im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften erhoben. Diese richtet sich dabei gegen den mutmaßlichen Erfinder der Geschäfte sowie gegen fünf ehemalige Angestellte einer Bank. In der Anklage wird der Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung erhoben. Damit soll es erstmals in Deutschland zu einem Strafprozess wegen der Cum-Ex-Geschäfte kommen.

Ausblick: Weitere Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft zu erwarten

Die Finanz- und Strafgerichte orientieren sich bei ihrer Beurteilung zunehmend an der Ansicht der Bundesregierung. Der Druck der Politik bleibt hoch. Daher ist in der Zukunft mit weiteren Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft zu rechnen. Es bleibt spannend, welche namenhaften Unternehmen demnächst in das Visier der Behörden geraten. Auch ein bekannter Kandidat für den CDU-Parteivorsitz ist nun in die mediale Defensive geraten, nachdem das Unternehmen, bei welchem er eine Funktion im Aufsichtsrat hat, in das Visier der Ermittler kam. Er selbst ist allerdings für den fraglichen Zeitraum nicht persönlich verantwortlich. 

LHP Rechtsanwälte Steuerberater - Rechtsberatung und Verteidigung 

Unsere erfahrenen Fachanwälte für Steuerrecht und Steuerberater verfolgen seit Jahren die Entwicklungen und Fortschritte hinsichtlich der höchst komplexen Thematik der Cum-Ex-Geschäfte. Die vielschichtige Thematik weist viele Fallstricke auf, die bekannt sein sollten, um eine effektive Verteidigung aufzubauen.  

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