Vorläufiger Diskussionsentwurf AEAO zu § 153 AO – Abgrenzung einer Berichtigung nach § 153 AO von einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO (Stand: 16.6.2015)Das BMF versucht, den Beratern/Unternehmen einerseits und der Finanzverwaltung eine Hilfestellung zur Abgrenzung in der Praxis zu geben.
Die Materie ist komplex, so dass keine Wunder erwartet werden können. Einige Hinweise von Rechtsanwalt Dirk Beyer (Sozietät LHP, Köln) zum Entwurf:
Zu Punkt 1. (Nemo-tenetur-Grundsatz)
Entgegen den Ausführungen im Entwurf gilt der Nemo-tenetur-Grundsatz nicht nur dann, wenn formell ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, sondern gegenüber jedem (auch nur materiell) Beschuldigten.
Zu Punkt 2.1 (Zeitpunkt der Erklärung)
Der zweite Satz ist missverständlich, weil er die Unverzüglichkeit sprachlich sowohl auf die Anzeige als auch die Berichtigung bezieht. Wie der Entwurf in Punkt 5.1 zutreffend ausführt gilt die Unverzüglichkeit nur für die Anzeige. Die Berichtigung muss hingegen in einer angemessenen Frist erfolgen.
Letzter Satz („D.h. der Steuerpflichtige hat im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung weder …“):
Zutreffend stellt der Entwurf darauf ab, dass zunächst im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe keine Kenntnis vorgelegen haben darf. Dann ist aber der letzte Satz in diesem Zusammenhang unpassend. Denn es kommt in diesem Zeitpunkt auf die fehlende Kenntnis und nicht darauf an, ob eine Steuerverkürzung für möglich gehalten oder deren Eintritt in Kauf genommen wurde. Zudem entspricht der letzte Satz nicht der Rechtsprechung: Der BGH geht davon aus, dass eine Anzeige- und Berichtigungspflicht gem. § 153 AO auch bei anfänglichem Eventualvorsatz bestehen kann, wenn nachträglich Kenntnis erlangt wird (Urteil v. BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08).
Zu Punkt 2.5, Satz 6 („Insbesondere kann nicht automatisch…“):
Die Rechtsprechung weist in letzter Zeit verstärkt darauf hin, dass die Einschaltung eines professionellen Beraters geboten sein kann. Hierbei sei der Einzelfall entscheidend. Im Umkehrschluss muss sich der Mandant (Steuerpflichtige) dann aber im Grundsatz auf den Rat verlassen können dürfen, so dass m.E. gute Argumente dafür sprechen, dass bei Gutgläubigkeit weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit vorliegen können. Die Rechtsprechung hierzu bleibt aber abzuwarten, da insofern Rechtsunsicherheit besteht. Insbesondere muss ein Rat ernst gemeint sein und gewissenhaft auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung erfolgen oder zumindest auf der Basis einer fundierten Literaturansicht beruhen. Der Sachverhalt muss zutreffend sein und rechtlich vertretbar gewürdigt werden. Ob die Rechtsprechung weitere Anforderungen aufstellen wird, ist noch nicht geklärt.
Zu Seite 4, Beispiele:
Wegen weiterer Hinweise zu Korrekturen im Bereich der Umsatz- und Lohnsteuer vgl. den Fachbeitrag von Heuel/Beyer in der kommenden Zeitschrift BBK des NWB-Verlages v. 21.8.2015. Vgl. zur ErbSt und § 153 AO auch Heuel in wistra 8 und 9/2015.
Zu Seite 6, 1. und 2. Alternativformulierung:
Hier sollte systematisch zwischen der Unverzüglichkeit (bezogen auf die Anzeige) und der Angemessenheit einer Frist zur Berichtigung unterschieden werden.
Zu Seite 6, letzter Absatz:
Die Steuerhinterziehung liegt nicht ab dem Zeitpunkt des Erkennens der Unrichtigkeit vor, sondern frühestens mit dem Ablauf der angemessenen Frist zu Berichtigung.
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