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Die steuerliche Behandlung von Stock Options im Fall eines Ansässigkeitswechsels (DBA USA)

Die Besteuerung von Stock Options ist ein abkommensrechtlicher Dauerbrenner. Der BFH hat sich in einem interessanten Fall zum DBA mit den USA nun erneut positioniert (Urteil vom 21. Dezember 2022, I R 11/20). Für die Frage, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, stellt der BFH im Falle eines Ansässigkeitswechsels auf die Ansässigkeit zum Zeitpunkt der Einkünfteerzielung (Zufluss Zeitpunkt) ab und widersprach damit dem Finanzgericht, dass auf die Ansässigkeit im Erdienungszeitraum abstellte.

Hintergründe zur Besteuerung von Stock Options?

Stock Options (Aktienoptionen) sind im anglo-amerikanischen Raum seit vielen Jahrzehnten ein fester Gehaltsbestandsteil, nicht nur für Führungskräfte. Auch in Deutschland sind sie heute weit verbreitet und regelmäßig Thema in finanzgerichtlichen Verfahren ebenso wie vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Obwohl die steuerliche Behandlung von Stock Options damit nicht neu ist, kommt es in der praktischen steuerlichen Deklaration häufig zu Fehlern. Teilweise werden gewährte Stock Options zeitraumbezogen zu früh versteuert, teilweise zu spät, teilweise nicht vollständig oder auch gar nicht versteuert. Nicht selten sind steuerliche und steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren die Konsequenz. Streitigkeiten über die Besteuerungsfolgen landen nicht selten vor den Finanzgerichten.  

Was sind Stock Options und was sind die praktischen Herausforderungen bei der Besteuerung?

Typischer Weise sollen Arbeitnehmer durch die Gewährung von Aktienoptionen an der (positiven) Geschäftsentwicklung partizipieren und Anteile am Unternehmen (sog. Stocks) erwerben können. Neben der beabsichtigten zusätzlichen Motivation für überdurchschnittliche Arbeitsleistungen sollen die Aktienoptionen den Arbeitnehmer gleichzeitig aber auch möglichst lange an das Unternehmen binden. Die (arbeits-) vertragliche Ausgestaltung sog. Stock Options erfolgt im Einzelfall sehr individuell, wobei große Konzerne für ihre Mitarbeitergruppen häufig auch auf einheitliche Stock Option Programme zurückgreifen. In diesen Fällen ist also eine Vergleichbarkeit innerhalb der jeweiligen Gruppe gegeben und damit auch die Bewertung der steuerlichen Konsequenzen. Im Übrigen lässt sich im Wesentlichen feststellen, dass die Stock Option Programme immer individueller werden, je höher der Mitarbeiter in der Hierarchiestufe eines Unternehmens klettert. Für die steuerlichen Qualifikationen und Wertungen verbieten sich daher allgemeine Aussagen. Ohne die genaue Prüfung der arbeitsvertraglichen Regelung und der in diesem Zusammenhang getroffenen Abreden zu Gewährung der Stock Options lässt sich eine steuerliche Bewertung nicht durchführen.

Wie erfolgt die Besteuerung von Stock Options im Grundsatz?

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH und der h. M. in der Literatur erfolgt die Besteuerung von Rechten auf den späteren Erwerb von „Gegenständen“ (z.B. auch Aktien), die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis zu einem feststehenden Preis eingeräumt werden, als Arbeitslohn weder

  • bei der Einräumung des Ankaufsrechts
  • noch im Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit der Option (BFH VI R 105/99 BStBl. II 01, 689),

sondern erst im Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechts. Der Höhe nach ist zu ermitteln, inwieweit der Verkehrswert der Aktie (in der Regel der Börsenpreis) den dann feststehenden Preis übersteigt (BFH VI R 278/68 BStBl. II 72, 596; BFH VI R 55/73 BStBl. II 75, 690).

Diese Grundsätze gelten nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sowohl für nicht handelbare Aktienoptionen (BFH I R 100/98 BStBl. II 01, 509; BFH I R 119/98 BStBl. II 01, 512) als auch für handelbare Optionsrechte (BFH VI R 25/05 BStBl. II 09, 382).

Den allgemeinen Grundsätzen folgend, erfolgt die Lohnversteuerung in Zusammenhang mit Stock Options im Zeitpunkt des Zuflusses, § 11 Abs. 1 EStG. Der Zufluss wird mit Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien angenommen (Unterschiedsbetrag Börsenpreis dieses Tages und den Erwerbsaufwendungen vgl. BFH VI R 67/14 BStBl. II 17, 69). Zufluss Zeitpunkt ist damit der Tag der Erfüllung des Anspruchs durch den Arbeitgeber, also der Tag, an dem die Stock Options in das Depot des Arbeitnehmers eingebucht werden (h. M., BFH VI R 25/05 BStBI. II 09, 382, unter II. 4.).

Welchen Grundsätzen folgen die Doppelbesteuerungsabkommen bei der Aufteilung von Besteuerungsrechten in Zusammenhang mit Stock Options?

Wie immer im Abkommensrecht ist zunächst die Ansässigkeit des Arbeitnehmers nach den Normen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens im Zeitpunkt des steuerlichen Zuflusses zu bestimmen. Im ersten Schritt muss im Regelfall geprüft werden, ob eine Person nach dem Recht des Staates auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, vgl. Artikel 4 Abs. 1 OECD-MA 2017.

Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland muss die unbeschränkte Steuerpflicht auf Grund eines Wohnsitzes (§ 8 AO) oder eines gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 9 AO) vorliegen. Liegt in beiden Ländern eine Steuerpflicht i. S. d. Artikel 4 Abs. 1 OECD-MA 2017 vor, muss die Ansässigkeit nach Artikel 4 Abs. 2 OECD-MA 2017 (auch Tie-Breaker-Rule genannt) in absteigender Reihenfolge bestimmt werden.

Grundsätzlich steht dem Ansässigkeitsstaat im Zeitpunkt des Zuflusses der Stock Options das volle Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit zu, vgl. Artikel 15 Abs. 1 OECD-MA 2017. Dieses kann jedoch gem. Artikel 15 Abs. 2 OECD-MA 2017 eingeschränkt werden, wenn

  • der Empfänger der Vergütung sich im anderen Staat insgesamt mehr als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhält,
  • die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der im anderen Staat ansässig ist, oder
  • die Vergütungen von einer Betriebstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.

Das BFH-Urteil vom 21. Dezember 2022, I R 11/20 und der zu Grunde liegende Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten hatten ihren Wohnsitz im Streitjahr 2011 in Deutschland und wurden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Der Kläger war von Juni 2001 bis zum 15.04.2005 in den USA angestellt. Während dieses Zeitraums hatten die Kläger ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben und in die USA verlagert. Dienstreisen außerhalb der USA, verbrachte der Kläger zu einem Drittel in Deutschland (Gesamtaufenthalt dort nicht länger als 60 Tage pro Kalenderjahr). Ab Mai 2005 war der Kläger wieder in Deutschland tätig. Seine Familie lebt seit August 2005 wieder in Deutschland.

Zum 01.04.2003 wurden dem Kläger von seinem amerikanischen Arbeitgeber (nicht handelbare) Stock Options gewährt, die frühestens ab dem 01.04.2004 i. H. v. 50 % und ab dem 01.04.2006 i. H. v.  100 % ausgeübt werden durften.

Der Kläger übte im Jahr 2011 einen Teil der Optionen aus.

In der US-amerikanischen Steuererklärung für das Jahr 2011 wurde lediglich der Teil der Aktienoptionen versteuert, der auf Arbeitstage in den USA entfiel. Das inneramerikanische Steuerrecht sieht für nicht in den USA ansässige Ausländer vor, dass ausschließlich aus US-Quellen stammende Einnahmen der Besteuerung unterworfen werden; dabei wird darauf abgestellt, wo die Dienste erbracht worden sind.

Das Finanzamt (Beklagte und Revisionsklägerin) behandelte im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 den Teil der Stock Options als in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn, der nicht in den USA besteuert wurde. Dies betrifft Arbeitstage in Deutschland und im Drittland. Begründet wurde dies damit, dass bei Bestimmung der Ansässigkeit auf das Zuflussjahr abzustellen sei.

Der zuvor mit Einspruch angefochtene Einkommensteuerbescheid wurde abgewiesen, weshalb Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben wurde.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klage mit Urteil vom 21.05.2019, Az: 6 K 488/17 statt. Nach Ansicht des Finanzgerichts komme es für die Frage der Ansässigkeit nicht auf das Jahr des Zuflusses (damit das Streitjahr 2011), sondern auf die Ansässigkeit des Klägers in den USA in dem Zeitraum zwischen der Gewährung der Optionen und deren erstmaliger Ausübbarkeit an. Anderenfalls hätte es der Berechtigte in der Hand, die Rechtslage im Nachhinein durch die Wahl eines geeigneten Wohnsitzes zum Zuflusszeitpunkt zu gestalten. Somit würde das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 bei den USA verbleiben. Ein Besteuerungsrecht Deutschlands für etwaige Arbeitstage in Deutschland und im Drittland würde sich nicht ergeben, da auch die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 DBA-USA 1989/2008 nicht erfüllt waren. Auch etwaige Rückfallklauseln, die ein deutsches Besteuerungsrecht rechtfertigen können, sind im gegebenen Sachverhalt nicht anwendbar. Die Einkünfte aus den Stock Options waren demnach von der inländischen Besteuerung freizustellen und lediglich dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen (Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA USA 1989/2008 i. V. m. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a DBA-USA 1989/2008 i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG).

Der BFH stellt nicht auf den Erdienungszeitraum, sondern auf den Zuflusszeitpunkt ab

Der BFH widersprach der Sichtweise des Finanzgerichts. Abzustellen sei auf die Ansässigkeit während des Zufluss Zeitpunktes.

Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 betrifft nach dem Verständnis des BFH Einkünfte, die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person bezogen werden. Auf diese Weise wird die Frage der Ansässigkeit mit dem Bezug (Zufluss) der Einkünfte verknüpft, sodass beide Tatbestandsmerkmale für die Anwendung des Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA-USA 1989/2008 gleichzeitig erfüllt sein müssen. Im Abkommen ist nicht geregelt, wann der Zeitpunkt des Zuflusses anzunehmen ist. Insoweit komme es nach der Vorstellung des BFH in seinem Urteil vom 21. Dezember 2022, I R 11/20 auf das nationale Recht an. Im Streitfall ist daher auf den Zeitpunkt des Zuflusses des geldwerten Vorteils bei Ausübung der Option abzustellen (Anm.: vgl. oben § 11 Abs. 1 EStG).

Da aus Sicht des BFH der Ansässigkeitsstaat vom Finanzgericht rechtsfehlerhaft bestimmt wurde, - das Finanzgericht sah die USA und nicht Deutschland als Ansässigkeitsstaat - wurde die Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Finanzgericht wird nun prüfen müssen auf welchen Erdienungszeitraum sich die Stock Options beziehen und wie das konkrete Verhältnis der Arbeitstage in den USA, Deutschland und in Drittländern war. Klargestellt hat der BFH, dass als Erdienungszeitraum, der Zeitraum zwischen Gewährung der Stock Options und deren erstmaliger Ausübbarkeit anzusehen ist. An der Ansicht, eine Ausdehnung des Erdienungszeitraums bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Option wird nicht festgehalten. Eine abschließende Bemessung der Dauer des Erdienungszeitraums kann jedoch nur anhand der konkreten Vereinbarung bei Gewährung der Stock Options sowie den sonstigen Umständen des Einzelfalls getroffen werden.

Dass der BFH nun auf die Verhältnisse im Zufluss Zeitpunkt und nicht (mehr) auf die Verhältnisse während des Erdienungszeitraums abstellt, erweist sich aus praktischer Sicht als problematisch. Im Ausland wird überwiegend eine andere Sichtweise als die des BFH vertreten, sodass es zwangsläufig zu Abkommenskonflikten bei der Besteuerung kommen wird. Abzuwarten bleibt eine Antwort auf die Frage, ob die Sichtweise des BFH auch für andere zeitraumbezogene Zahlungen - wie Bonuszahlungen - gilt.

Praxishinweis

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BFH-Urteil vom 21. Dezember 2022, I R 11/20

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