Prof. Dr. Mellinghoff, der Präsident des Bundesfinanzhofs, hat sich zur aktuellen Steuerpolitik auf Spiegel Online geäußert:
Mittlerweile werden Steuergesetze auch dadurch unpraktikabel, dass sie sämtlichen hypothetischen Fallkonstellationen gerecht werden sollen. Der Wunsch nach Gerechtigkeit durch Einzelfallgerechtigkeit ist jedoch ein Irrtum. So führt BFH-Präsident Mellinghoff aus: "Im Bestreben, jedem Sonderfall gerecht zu werden, haben wir das Steuerrecht so kompliziert gemacht, dass es kaum noch vollziehbar ist. Ein Beispiel ist die steuerliche Berücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Hier wäre es sinnvoll, allein auf die tatsächliche Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzustellen. Wir leisten uns aber komplizierte Sonderregelungen."
Auch die Folgen für die Finanzämter problematisiert er: "Auf diese Weise überfordern wir den Staat, denn wir haben gar nicht genügend Finanzbeamte und Geld, um jeden einzelnen Fall zu überprüfen. Die bessere Strategie wäre, unser Steuerrecht mit Hilfe von mehr Pauschalen und Typisierungen einfacher zu machen."
Da im Bundestagswahlkampf von der Opposition eine Vermögenssteuer auf Privatvermögen gefordert wird, nutzt der BFH-Präsident die Gelegenheit zur Kritik. Er prognostiziert erhebliches Streitpotential und Schwierigkeiten im Vollzug: "Natürlich wird jeder versuchen, betriebliches oder unternehmerisches Vermögen zu bilden. Und dann stellen sich komplizierte Abgrenzungsfragen, denn es ist sehr schwer, eine klare Grenze zwischen Privatvermögen und unternehmerischem Vermögen zu ziehen. Gesetzgeber und Rechtsprechung müssen dann viele Abgrenzungsfragen klären; zum Beispiel: Gehören nur die Anteile an einer Personengesellschaft oder auch die Aktien an einem großen Konzern zum Unternehmensvermögen? Und ändert sich an der Beurteilung etwas, wenn ein mittelständischer Betrieb an die Börse geht? In dem Moment, wo Sie versuchen, Vermögensarten unterschiedlich zu behandeln, stellen sich Abgrenzungsfragen."
In der Steuer-CD-Debatte zeigt er eine kritische Haltung gegenüber CD-Käufen: "Bei Schwarzgeldkonten in der Schweiz geht es nicht um Steuergestaltung, sondern um Steuerhinterziehung. Die gehört hart bestraft. Da sind sich auch alle einig. Aber hier stellt sich eine andere Frage im Rechtsstaat: Ist jede Ermittlungsmethode erlaubt? Ist es richtig, wenn die Finanzverwaltung Daten für etliche Millionen erwirbt, die möglicherweise rechtswidrig oder strafbar erlangt wurden?" Er fordert eine Entscheidung des Bundestages: "An dieser Vorgehensweise stört mich am meisten, dass der Bundestag nicht ansatzweise darüber debattiert hat, dass es bis heute aus meiner Sicht keine hinreichende gesetzliche Ermächtigung für den Ankauf dieser Daten durch die Finanzverwaltung gibt. " Er schließt ein Verwertungsverbot nicht aus: "Wenn der Staat planmäßig und dauerhaft zu solchen Maßnahmen anstiftet, dann kann es durchaus sein, dass ein Gericht einmal ein Verwertungsverbot solcher CDs erlässt."
Quelle: www.spiegel.de
An der Pauluskirche 3-5,
50677 Köln,
Telefon: +49 221 39 09 770
Tödistrasse 53, CH-8027 Zürich,
Telefon: +41 44 212 3535