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Betriebsprüfung: Steuerhinterziehung wegen Verstoß gegen neuer Mitwirkungspflicht gem. § 153 Abs. 4 AO

Straf- und bußgeldrechtliche Risiken bei Verstößen gegen die neue Mitwirkungspflicht

Die Regelungen der vorsätzlichen und leichtfertigen Steuerhinterziehung gem. § 370 , § 378 Abs. 1 AO sind sogenannte Blanketttatbestände, so dass die Verletzung anderweitiger gesetzlicher steuerlicher Pflichten den objektiven Tatbestand der Hinterziehung begründen kann. Somit kann der objektive Hinterziehungstatbestand in Form eines Unterlassens im Einzelfall auch durch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO verwirklicht werden. Dann muss die Ermittlungsbehörde allerdings zusätzlich den subjektiven Tatbestand der § 370 , § 378 Abs. 1 AO nachweisen, um insgesamt die Hinterziehung zu beweisen (Darlegungs- und Beweislast liegt bei der Justiz).

Ungeklärt ist zur Zeit (12.08.2024), ob die lediglich leichtfertige Hinterziehung gem. § 378 Abs. 1 AO überhaupt bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gem. § 153 Abs. 4 AO n. F. in Betracht kommen kann. Denn es ist bisher nicht geklärt, ob diese Norm eine positive Kenntnis von den Voraussetzungen der Norm wie § 153 Abs. 1 AO verlangt. Wenn eine solche positive Kenntnis nicht erforderlich wäre, würde sich aus § 153 Abs. 4 AO n. F. keine erhöhte Anforderung an die Schuldform ergeben und damit könnte auch die leichtfertige Begehung gem. § 378 Abs. 1 AO in Betracht kommen. Die weitere Konsequenz wäre dann zudem, dass für den subjektiven Tatbestand  des § 370 AO im Zusammenhang mit der Verletzung des § 153 Abs. 4 AO n. F. auch bloßer Eventualvorsatz genügen würde. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht verweist der Wortlaut des § 153 Abs. 4 AO lediglich auf die Rechtsfolgen des § 153 Abs. 1 AO (wörtlich steht dort: „die Anzeige- und Berichtigungspflicht besteht ferner, wenn...“). Damit verlangt § 153 Abs. 4 AO nach dieser Ansicht keine positive Kenntnis.

Hinweis der Steuerstrafverteidiger von LHP:  Vorsorglich sollte in der Beratung davon ausgegangen werden, dass bereits ein leichtfertiger Verstoß gegen die neue Mitwirkungspflicht sanktioniert werden kann (als Bußgeldtatbestand). Ist hingegen der Vorwurf der Pflichtverletzung bereits erhoben, besteht eine Verteidigungssituation. Dann sollte die Frage, ob Leichtfertigkeit oder Eventualvorsatz genügen, bei Bedarf auch gerichtlich geklärt werden.

In der Steuerstrafverteidigung bieten sich z. B. folgende Verteidigungsansätze an:

Die Neuregelung des § 153 Abs. 4 AO n. F. ist mangels Rechtsprechung ungeklärt und umstritten. Ein Schuldvorwurf müsste bereits aus diesem Grund besonders gründlich dargelegt und bewiesen werden. Der Vorwurf der Verletzung einer missglückten und in ihrer Auslegung umstrittenen Norm wie § 153 Abs. 4 AO n. F. sollte bei einer strafrechtlichen Betrachtung oftmals kein erhebliches öffentliches Strafbedürfnis begründen können. In der Praxis sollte sich daher oft die Regelung des § 153a StPO (Geldauflage statt Strafe) zur Verfahrensbeendigung anbieten.

Die Regelung des § 153 Abs. 4 AO bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf Sachverhalte, also allein auf Tatsachen. Einer Ausdehnung auf Rechtsfragen, Anpassungen von Jahresabschlüssen oder die Abgabe von Steuererklärungen steht daher das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot entgegen (Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz). Insbesondere in den Fällen, in denen nur wiederkehrende Sachverhalte oder rechtliche Würdigungen (Bewertungen) im Streit sind, kann in Bezug auf § 153 Abs. 4 AO kein strafrechtlicher Vorwurf erhoben werden. Der Wortlaut einer strafbegründenden Norm ist im Strafverfahren vielmehr stets eng auszulegen. Im Einzelfall können aber (zusätzlich) die Voraussetzungen der Verletzung einer Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 1 AO zu prüfen sein.

Wenn der Beschuldigte steuerlich laufend beraten ist und dieses Beratungsverhältnis auch die Folgen aus der Außenprüfung umfasst, setzt seine persönliche Schuld u. a. voraus, dass er sich nicht auf seinen Berater verlassen durfte, z. B. weil diesem nicht alle Umstände bekannt waren oder die Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO aus sonstigen Gründen evident war. Dies dürfte aufgrund der umstrittenen und ungeklärten Auslegung dieser neuen Norm zurzeit bei einer steuerlichen Beratung nur selten der Fall sein.

Dokumentierte und zeitnahe Auswertungen von Prüfberichten können als Compliance-Instrument der Verteidigung im Einzelfall helfen.

Die Steueranwälte von LHP besprechen die Bedeutung und den Umfang der neuen Mitwirkungspflicht im Einzelfall. Nach einer laufenden Betriebsprüfung - eventuell bereits in einer Schlussbesprechung - sollte die neue Regelung nach § 153 Abs. 4 AO künftig in den Blick genommen werden, damit keine schulfhaften Verstöße vorgeworfen werden können. Stets sollte auch gleichzeitig die bereits bestehende Regelung des § 153 Abs. 1 AO geprüft werden.

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