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Betriebsprüfung: Neue Anzeige- und Berichtigungspflicht § 153 Abs. 4 AO mit straf- und bußgeldrechtlichen Folgen

Kann bereits bei leichtfertigem Verstoß gegen die Neuregelung der Vorwurf der leichtfertigen Verkürzung gem. § 378 AO drohen? 

Nach dem Wortlaut des § 153 Abs. 4 AO (n.F. = neue Fassung) trifft den Steuerpflichtigen eine Anzeige- und Berichtigungspflicht, d.h. er muss offenlegen, dass sich eine bestimmte Prüfungsfeststellung, welche in formell bestandskräftigen (also unanfechtbaren) Bescheiden umgesetzt worden ist, auch auf weitere Sachverhalte in anderen – noch nicht steuerlich verjährten - Besteuerungszeiträumen auswirkt. Er muss somit eine Tatsachenmitteilung abgeben (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Kommentar, § 153 AO Rz. 33 [9/2023]).

Dies bedeutet praktisch: Hierbei müssen dem Finanzamt alle Tatsachen mitgeteilt werden, die für eine zutreffende steuerliche Rechtsanwendung erforderlich sind.

Ein schuldhaftrer Verstoß gegen die Neuregelung 

Da die Regelungen der vorsätzlichen und leichtfertigen Steuerhinterziehung gem. §§ 370, 378 Abs. 1 AO sog. Blanketttatbestände sind, kann die Verletzung anderweitiger gesetzlicher steuerlicher Pflichten den objektiven Tatbestand der Hinterziehung begründen. Somit kann der objektive Hinterziehungstatbestand in Form eines Unterlassens im Einzelfall auch durch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO n.F. verwirklicht werden. Dann muss die Ermittlungsbehörde allerdings zusätzlich den subjektiven Tatbestand der §§ 370, 378 Abs. 1 AO nachweisen, um insgesamt die Hinterziehung zu beweisen (die Darlegungs- und Beweislast liegt bei der Justiz).

Droht bei Leichtfertigkeit ein bußgeldrechtliches Verfahren?

Unklar ist jedoch, ob die leichtfertige Hinterziehung gem. § 378 Abs. 1 AO überhaupt bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gem. § 153 Abs. 4 AO n.F. in Betracht kommen kann. Denn wie oben ausgeführt, ist es bisher nicht geklärt, ob diese Norm eine positive Kenntnis wie § 153 Abs. 1 AO verlangt. Wenn eine solche positive Kenntnis nicht erforderlich wäre, würde sich aus § 153 Abs. 4 AO n.F. keine erhöhte Anforderung an die Schuldform ergeben und damit könnte auch die leichtfertige Begehung gem. § 378 Abs. 1 AO in Betracht kommen. Die weitere Konsequenz wäre dann zudem, dass für den subjektiven Tatbestand des § 370 AO im Zusammenhang mit der Verletzung des § 153 Abs. 4 AO n.F. bloßer Eventualvorsatz genügen würde. Nach einer - durch die Rechtsprechung nocht nicht geklärten - Ansicht verweist der Wortlaut des § 153 Abs. 4 AO n.F. lediglich auf die Rechtsfolgen des § 153 Abs. 1 (wörtlich: „die Anzeige- und Berichtigungspflicht besteht ferner, wenn…“). Wenn diese Ansicht zugrundegelegt wird, würde § 153 Abs. 4 AO keine positive Kenntnis verlangen und es würde somit bei einem Verstoß die leichtfertige Hinterziehung eintreten können.

Hinweis von LHP aus Köln: In der Strafverteidigung bieten sich z.B. folgende Verteidigungsansätze: 

  • Die Neuregelung des § 153 Abs. 4 AO n.F. ist mangels Rechtsprechung ungeklärt und umstritten. Ein Schuldvorwurf müsste bereits aus diesem Grund besonders gründlich dargelegt und bewiesen werden. Der Vorwurf der Verletzung einer missglückten und in ihrer Auslegung umstrittenen Norm wie § 153 Abs. 4 AO n.F. sollte bei einer strafrechtlichen Betrachtung oftmals kein erhebliches öffentliches Strafbedürfnis begründen können. In der Praxis sollte sich daher oft die Regelung des § 153a StPO (Geldauflage statt Strafe) zur Verfahrensbeendigung anbieten.
  • Die Regelung des § 153 Abs. 4 AO n.F. bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf Sachverhalte, also allein auf Tatsachen. Einer Ausdehnung auf Rechtsfragen, Anpassungen von Jahresabschlüssen oder Abgabe von Steuererklärungen steht daher das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot entgegen (Art. 103 Abs. 2 GG). Insbesondere in den Fällen, in denen nur wiederkehrende Sachverhalte oder rechtliche Würdigungen (Bewertungen) im Streit sind, kann in Bezug auf § 153 Abs. 4 AO n.F. kein strafrechtlicher Vorwurf erhoben werden. Der Wortlaut einer strafbegründenden Norm ist im Strafverfahren vielmehr stets eng auszulegen. Im Einzelfall können aber die Voraussetzungen der Verletzung einer Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 1 AO zu prüfen sein.
  • Wenn der Beschuldigte steuerlich laufend beraten ist und dieses Beratungsverhältnis auch die Folgen aus der Außenprüfung umfasst, setzt seine persönliche Schuld u.a. voraus, dass er sich nicht auf seinen Berater verlassen durfte, z.B. weil diesem nicht alle Umstände bekannt waren oder die Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO aus sonstigen Gründen evident war. Dies dürfte aufgrund der umstrittenen und ungeklärten Auslegung dieser neuen Norm zur Zeit bei einer steuerlichen Beratung nur selten der Fall sein.

Hinweis von LHP aus Köln: Da die Bedeutung der Neuregelung und ihrer Auswirkungen bisher mangels Rechtsprechung ungeklärt ist, sollte der sicherste Weg gegangen werden und Anzeige- und Berichtigungspflichten bereits im Laufe einer bestehenden Betriebsprüfung bedacht werden. Es können sich im Einzelfall auch Anzeige- und Berichtigungspflichten aus der bisher schon existierenden Regelung gem. § 153 Abs. 1 AO ergeben. 

Die Steueranwälte von LHP besprechen die Auswirkungen von Prüfungsfeststellungen der Betriebsprüfung im Einzelfall. Es kann sich eine Dokumentation der Auswertung des Prüfungsberichts anbieten (Compliance-Maßnahme).

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