Die Verlegung des Unternehmenssitzes oder einer Betriebsstätte in eine Gemeinde mit niedrigem Gewerbesteuer-Hebesatz kann wirtschaftlich sinnvoll und auch legal sein, um Gewerbesteuern zu sparen und die Abgabenlast zu senken. Unternehmen und Gewerbetreibende mit hohen Gewinnen können hierdurch ihre jährliche Steuerlast um bis zu mehrere Millionen Euro senken.
Die Grundlage für solch eine legale Verringerung der Steuerlast ist allerdings, dass die steuerrechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden. Wenn das nicht der Fall ist, droht ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Um ein solches zu vermeiden, werden strafbefreiende Selbstanzeigen in diesem Kontext immer häufiger abgegeben.
Die Steuerfahndung prüft und ermittelt aktuell insbesondere solche Unternehmen, die ihren Betriebssitz in sogenannten Gewerbesteueroasen mit niedrigem Hebesatz haben.
Der Gewinn der in Deutschland ansässigen Unternehmen wird – so weit die ausnahmsweise geltenden Befreiungen nicht greifen - mit Gewerbesteuer belastet. Auch die im Ausland erzielte Gewinne unterliegen der deutschen Gewerbesteuer, wenn sie einer deutschen Betriebsstätte zugerechnet werden. Die Höhe der Gewerbesteuer hängt dabei entscheidend vom Hebesatz der Gemeinde ab, in der der Unternehmenssitz gemeldet ist oder eine Betriebsstätte betrieben wird.
Das Gesetz garantiert den Gemeinden in § 16 Abs. 4 S. 2 GewStG eine Hebesatzautonomie und ist Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten Finanzautonomie der Gemeinden, vgl. Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG. Hieraus folgt ein Steuerwettbewerb der Gemeinden, der seine Berechtigung hat, denn durch diesen Steuerwettbewerb wird wirtschaftsförderndes Handeln begünstigt. Die Gemeinden konkurrieren durch den eigenen Gewerbesteuer-Hebesatz um Unternehmen.
In Mühlheim an der Ruhr liegt der Hebesatz bei 580%, in Köln bei 475% und in Leverkusen bei nur 250%. In München wiederrum beträgt der Hebesatz 490% und im 10 Kilometer entfernten Grünwald bei nur noch 240 %. Weitere nah beieinander liegende Beispielsorte mit erheblich abweichenden Hebesätzen sind Düsseldorf (440%) und Monheim am Rhein (250%), Berlin (410%) und Zossen (270%) oder Hamburg (470%) und Rellingen (325%). Hierdurch wird deutlich, dass die Gewerbesteuer innerhalb des Bundesgebiets und sogar innerhalb eines Bundeslandes abhängig vom Unternehmenssitz mehr als halbiert werden kann.
2. Legale Steuergestaltung durch Formwechsel oder Verlegung des Unternehmenssitzes
Durch einen Formwechsel zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft kann die Gewerbesteuer beeinflusst werden, weil die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer der Gesellschafter angerechnet und somit – zum Teil sogar vollständig – neutralisiert werden kann. Darüber hinaus steht den Personengesellschaften ein Freibetrag von 24.500, - Euro zu, der nicht mit Gewerbesteuer belastet wird.
Unternehmen sind in der Wahl ihres Unternehmenssitzes und der Betriebsstätten grundsätzlich frei und können somit die Höhe ihrer Gewerbesteuerlast beeinflussen.
Abhängig von der Art des Unternehmens und dem Geschäftszweig kann die Verlegung des Unternehmenssitz oder einzelner Betriebsstätten in Gemeinden mit einem niedrigen Hebesatz legal und sinnvoll sein.
Typischerweise sind Gesellschaften ohne eine Betriebs- oder Produktionsstätte örtlich ungebunden. Ganz allgemein kann festgestellt werden, dass Dienstleister und die sog. „New Economy“ sehr viel flexibler bei der Standortwahl agieren können als Industriebetriebe der sog. „Old Economy“.
Auch Gewerbe die ausschließlich Remote ausgeübt werden, können bei der Ausübung ihrer Tätigkeit den Gewerbesitz in der Regel ebenfalls problemlos verlegen und hierdurch Gewerbesteuer sparen. Durch die Digitalisierung und dem Wandel zu einer Dienstleistungsökonomie steht diese Möglichkeit immer mehr Unternehmen offen.
Unternehmen, die an eine Produktionsstätte oder lokal gebunden sind, haben diese Möglichkeit nicht ohne Weiteres. Ein satzungsmäßiger Unternehmenssitz in einer Gewerbesteueroase, der vom tatsächlichen Ort der Geschäftsleitung abweicht, wird früher oder später in das Visier der Steuerfahndung gelangen.
Eine Steuerhinterziehung liegt aber nur dann vor, wenn die Angabe des Unternehmenssitzes nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt, wenn also der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) nicht dem gegenüber dem Finanzamt angezeigten Unternehmenssitz entspricht.
3. Strafbefreite Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung
Die Steuerfahndung prüft und ermittelt aktuell mit großem Aufwand Auffälligkeiten und mögliche Widersprüche zwischen dem statuarischen und dem tatsächlichen Unternehmenssitz. Ersterer liegt dann häufig in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen. Die tatsächliche Geschäftsführung wird dann aber in einer anderen Gemeinde mit hohem Hebesatz ausgeübt.
In verdächtigen Fällen wird häufiger als früher ein Steuerstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen die Verantwortlichen, in der Regel gegen die Geschäftsführer oder Unternehmensinhaber eingeleitet.
Der Sitz des Unternehmens, der dem Finanzamt gemeldet wird, muss steuerrechtlich auch faktisch dem Ort der Geschäftsleitung im Sinne des § 10 AO entsprechen. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.
Der BFH und auch die Finanzverwaltung verorten den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dorthin, „wo der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden“.
Ein Nachsendeauftrag für Postzustellungen vom angemeldeten Unternehmenssitz an einen anderen Ort – häufig wird dieser Ort dann der tatsächliche Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung sein – kann zusammen mit anderen Anhaltspunkten einen Anfangsverdacht für Gewerbesteuerhinterziehung und die Einleitung eines Strafverfahrens sein.
Andere Anhaltspunkte sind der Unternehmenssitz in einer Gemeinde mit niedrigem Hebesatz oder einer unzureichenden betrieblichen Infrastruktur für den tatsächlichen Geschäftsbetrieb.
Eine strafbefreite Selbstanzeige bietet die Möglichkeit einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung zuvorzukommen, wenn die Selbstanzeige vollständig und rechtzeitig abgegeben wird. Hierzu beraten wir Unternehmen und Einzelpersonen.
4. Steuerrechtliche Beratung durch einen Fachanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater
Wir sind eine steuerrechtlich spezialisierte Boutique-Kanzlei und sind vom unabhängigen JUVE-Verlag als Kanzlei des Jahres 2024 für Steuerstrafrecht ausgezeichnet.
Ein Fachanwalt für Steuerrecht oder Steuerberater aus unserem Haus berät sie gerne an unseren Kanzleisitzen in Köln, Zürich oder Online, wenn Sie Ihren Geschäftssitz verlegen, eine strafbefreite Selbstanzeige im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer abgeben möchten oder Rat im Steuerrecht suchen.
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