Mandanten fragen unsere Steueranwälte in unserer Praxis oft, ob das Recht auf Einblick in Ermittlungs- und Steuerakten besteht. Für strafrechtliche Akten ergibt sich dieses Recht aus § 147 StPO. Für Steuerakten ist die Antwort nicht so unstreitig. Hier kann ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig-Holstein helfen.
Der Informationszugangsanspruch des § 3 Informationszugangsgesetz des Landes Schleswig-Holstein (IZG-SH) gewährt einen Anspruch auf Einsicht in Steuerakten, jedenfalls nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens (OVG Schleswig-Holstein v. 6.12.2012 – 4 LB 11/12). Dies gilt nach Ansicht des Gerichts auch dann, wenn durch diese Auskunft eine Amtshaftungsklage vorbereitet werden soll.
Der Kläger (K) verlangte vom beklagten Finanzamt (FA) nach Abschluss seines Besteuerungsverfahrens Einsicht in die Steuerakten. Die mit diesem Begehren beim Finanzgericht (FG) erhobene Klage wurde an das Verwaltungsgericht (VG) verwiesen, weil das FG den Verwaltungsrechtsweg als gegeben sah. Hintergrund dieser Klage war, dass K das FA Schadenersatz aus Amtshaftung wegen behaupteter überhöhter Steuerfestsetzungen verklagt hatte und seine Klagebegründung substantiieren musste. Das FA lehnte die Akteneinsicht ab, weil die Abgabenordung (AO) keinen derartigen zwingenden Anspruch vorsehe und die zivilprozessuale Waffengleichheit verletzt werde, wenn sich K durch Einblick in die Akten Argumentationsmöglichkeiten verschaffen wollen würde. Seine Klage hatte erstinstanzlich Erfolg. Das FA legte Berufung ein.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein hat die Berufung des Finanzamtes (FA) zurückgewiesen. Das Gericht führt aus: In der steuerlichen Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass im laufenden Besteuerungsverfahren nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Bescheidung eines Akteneinsichtsantrages bestehe. Es komme nach Ansicht des Gerichts vorliegend aber nicht darauf an, ob sich nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ein Anspruch ergebe. Denn das Gericht habe den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu entscheiden. Eine derartige Rechtsgrundlage für Akteneinsicht beim FA sei § 3 des Informationsfreiheitsgesetzes Schleswig-Hoolstein (IZG-SH). Die AO könne als Bundesrecht gem. Art. 31 GG diese landesrechtliche Regelung nicht verdrängen. Diese Norm sei vor dem Hintergrund ihres gesetzgeberischen Zwecks, Transparenz öffentlicher Verwaltung herzustellen, auszulegen. Aufgrund dieses weiten Zwecks könne diese Bestimmung durch die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, das Akteneinsichtsrecht in der AO nicht zu regeln, nicht verdrängt werden.
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Finanzämter verweisen demgegenüber oft darauf, dass die AO als Bundesgesetz das Landesrecht "breche" und damit entsprechende Auskunftsansprüche verdränge. Diese Argumentation ist aber nicht immer richtig, wie das vorliegende Urteil zeigt.
Weiter führte das Gericht aus: Auch sei der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IZG-SH nicht gegeben, wonach ein Antrag abzulehnen ist, soweit die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens oder den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren hätte. Denn dieser Ausschlussgrund soll eine Prozesspartei als Ausprägung auch der Waffengleichheit nicht davor schützen, dass sich ihre verfahrens- und materiell-rechtliche Position verschlechtert. Der Ausschlussgrund greift nur ein, wenn der Ablauf des Gerichtsverfahrens beeinträchtigt würde, z.B. durch eine Beweisvereitelung oder eine missbräuchliche Verfahrensverzögerung. Hierfür bestanden keine Anhaltspunkte. Weiterhin ergebe sich ein Anspruch auf Akteneinsicht aus der landesrechtlichen Datenschutzregelung des § 27 Landesdatenschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein (LDSG-SH).
Das vorliegende Urteil zeigt einmal mehr die Meinungsvielfalt der Rechtsprechung zu der Frage, ob die Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer bzw. des Bundes eine Akteneinsicht gegenüber dem FA gewährten. Die Finanzgerichte haben bisher überwiegend ablehnend entschieden, wobei jedoch die Besonderheiten des jeweiligen Landesrechts zu beachten sind. Das vorliegende Urteil geht interessanterweise zusätzlich auf das Datenschutzrecht als weitere Anspruchsgrundlage ein. Die Besonderheiten des jeweiligen Landesrechts müssen hier ebenfalls beachtet werden.
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Soll ein Antrag auf Akteneinsicht auf ein Informationsfreiheitsgesetz oder Landesdatenschutzgesetz gestützt werden, so müssen jeweils die Besonderheiten des jeweiligen Bundeslandes beachtet werden. Es sollte der richtige Rechtsweg beachtet werden. Es sprechen gute Gründe dafür, beim Verwaltungs- und nicht beim Finanzgericht zu klagen (als den Verwaltungsrechtsweg zu nutzen), weil es sich wohl um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Vorteilhaft: Die Verwaltungsgerichte stehen dem Informationsanspruch meist offener gegenüber als die Finanzgerichte. Zuvor sollte aber die bisherige Rechtsprechung des jeweils zuständigen Gerichts geprüft werden.
LHP Rechtsanwälte informieren ihre Mandanten über alle rechtlichen Möglichkeiten, einen Rechtsstreit mit dem Finanzamt möglichst effektiv einer Lösung zuzuführen. Hierzu kann im Einzelfall auch die Durchsetzung eines Anspruchs auf Akteneinsicht gehören.
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