Schätzungen drohen derzeit besonders nach Betriebsprüfungen in den sogenannten Bargeldbranchen. Betroffen sind zum Beispiel Gastronomie, Einzelhandel und Taxiunternehmen. Die Rechtsprechung und auch die Gesetzeslage haben sich hier in den letzten Jahren teilweise deutlich geändert bzw. verschärft. Hierbei handelt es sich um grundlegende Fragen der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gem. §§ 146 ff. AO mit oft weitreichenden Folgen.
Das Fatale ist dabei, dass „man hinterher immer schlauer“ ist, wenn die Betriebsprüfung den Unternehmer auf Buchführungsmängel hinweist. Es hilft in der Regel auch nicht, mit dem Finger auf den früheren Steuerberater zu zeigen. Allerdings kann in einem Steuerstrafverfahren im Einzelfall die Schuld fehlen, wenn ein Unternehmer steuerlich beraten war. Insgesamt sind die Schätzungsfälle vielseitig problembeladen und erfordern ein gutes Management durch Berater/Steueranwalt.
Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat sich zu dieser aktuellen Thematik geäußert und lesenswerte Hinweise gegeben ( FG Hamburg, Beschluss v. 13.8.2018, Az: 2 V 216/17).
Eine Gastronomin A war von Schätzbescheiden nach einer Betriebsprüfung betroffen. Sie stellte beim FG Hamburg einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Hinzuschätzungsbescheiden. Sie betrieb in den Streitjahren 2011 bis 2015 einen Döner-Imbiss nebst Kiosk in Hamburg. Ihren Gewinn ermittelte sie mittels Betriebsvermögensvergleichs. Im Rahmen einer bei ihrem Lieferanten durchgeführten Steuerfahndungsprüfung gelangte die Steuerfahndung zu dem Ergebnis, dass Schwarzgeschäfte zwischen Lieferanten und A getätigt worden sind. Der Lieferant habe Lieferungen an A verschleiert, damit A ihren Umsatz habe verkürzen können. Für die Kasse konnte A weitgehend keine Programmierprotokolle – auch nicht die zur erstmaligen Installation – vorlegen. Im Steuerstrafverfahren gegen A wurde ein Überwachungsvideo im Döner-Imbiss sichergestellt, welches für den Oktober 2013 zeigte, dass Mitarbeiter nicht alle Einnahmen in der Kasse erfassten. Die Betriebsprüfung nahm Nachkalkulationen des Wareneinsatzes vor und berechnete die daraus erzielbaren Erlöse (Ausbeutekalkulation). Die entsprechenden Berechnungsgrundlagen blieben streitig (z. B. ob die Betriebsprüfung das Fleischgewicht für die Döner-Produkte zu niedrig ansetzte). Es kam zu geänderten Steuerbescheiden.
Kurz zusammengefasst hat das FG Hamburg den Antrag der Gastronomin zurückgewiesen und dies wie folgt begründet:
Es empfiehlt sich angesichts einzelner strenger Gerichtsurteile, bei PC-Kassensystemen und sonstigen speicherfähigen Systemen sämtliche Kasseneinzeldaten in elektronischer Form zu speichern und in der Betriebsprüfung vorlegen zu können. Hierzu gehören nach der BFH-Rechtsprechung auch die Programmierprotokolle. Ein Unternehmer kann sich in einer späteren Betriebsprüfung in der Regel nicht mehr darauf berufen, dass ihm die Speicherung der Einzeldaten unzumutbar war. Die bislang oft in der Praxis erfolgende Verbuchung von Tagesendsummen ohne Einsicht in Einzeldaten durch den Steuerberater kann ansonsten im Rahmen einer Betriebsprüfung zu unliebsamen Überraschungen führen.
Jeder Einzelfall kann jedoch in besonderer Weise zu beurteilen sein. Insbesondere ist die Frage der Höhe der Schätzung ein weites Feld und es lässt sich oft trefflich darüber diskutieren, ob die vom Finanzamt angenommene Schätzungshöhe überhaupt betriebsbezogen und realitätsgerecht ist.
Die Steueranwälte von LHP empfehlen daher, bei aufkommenden Diskussionen in Betriebsprüfungen die Schätzungsthematik im Einzelfall zu besprechen, um die Situation rechtlich und tatsächlich einschätzen zu können. Ein Zwischengespräch in einer Betriebsprüfung kann im Einzelfall hilfreich sein, unzutreffend hohe Steuerbescheide zu vermeiden. Es sollten auch die Möglichkeiten einer Schlussbesprechung oder eines Einspruchsverfahrens bedacht werden.
Betriebsprüfung Gastronomie - Schwerpunkte, Schätzung und elektronische Daten
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