Der Kläger verlangte vom beklagten FA nach Abschluss seines Besteuerungsverfahrens Einsicht in die Steuerakten, weil er in einem Zivilprozess vor dem Landgericht auf Schadenersatz aus Amtshaftung gegen das FA wegen behaupteter überhöhter Steuerfestsetzungen geklagt hatte und seine Klagebegründung substantiieren musste. Das FA lehnte die Akteneinsicht ab, weil die AO keinen derartigen zwingenden Anspruch vorsehe und die zivilprozessuale Waffengleichheit verletzt werde, wenn sich der Kläger durch Einblick in die Akten zusätzliche Argumentationsmöglichkeiten verschaffen könne.
Das OVG Schleswig-Holstein (v. 6.12.2012 – 4 LB 11/12) gab dem Begehren des Klägers statt. In der steuerlichen Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass im laufenden Besteuerungsverfahren zwar nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Bescheidung eines Akteneinsichtsantrages bestehe. Diese Norm könne aber verdrängt werden durch andere Normen, die einen weitergehenden Anspruch zulassen. Eine derartige Rechtsgrundlage für Akteneinsicht beim FA sei § 3 Informationszugangsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (IZG-SH). Die AO könne als Bundesrecht gem. Art. 31 GG diese landesrechtliche Regelung nicht verdrängen. Auch sei der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IZH-SH nicht gegeben, wonach ein Antrag abzulehnen ist, soweit die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens oder den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren hätte. Denn dieser Ausschlussgrund soll eine Prozesspartei als Ausprägung auch der Waffengleichheit nicht davor schützen, dass sich ihre Position verschlechtert. Der Ausschlussgrund greift nur ein, wenn der Ablauf des Gerichtsverfahrens beeinträchtigt würde, z.B. durch eine Beweisvereitelung oder eine missbräuchliche Verfahrensverzögerung. Hierfür bestanden keine Anhaltspunkte. Weiterhin ergebe sich ein Anspruch auf Akteneinsicht aus der landesrechtlichen Datenschutzregelung des § 27 Landesdatenschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein (LDSG-SH).
Hinweis vom Fachanwalt für Steuerrecht aus Köln: Die Frage, ob die Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer bzw. des Bundes eine Akteneinsicht gegenüber dem Finanzamt gewährten wird sehr unterschiedlich durch die Finanzgerichte beurteilt. Die Finanzgerichte haben bisher überwiegend ablehnend entschieden, wobei jedoch die Besonderheiten des jeweiligen Landesrechts zu beachten sind. Beispielsweise enthält das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz in § 4 Abs. 2 IFG NRW eine Subsidiaritätsklausel. Außerdem sind die Ausschlussgründe je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Einige Finanzgerichte sind der Auffassung, dass die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, in der AO kein ausdrückliches Recht auf Akteneinsicht zu regeln, die Anwendbarkeit sonstiger Rechtsgrundlagen – also die Informationsfreiheitsgesetze – ausschließe (Art. 31 GG).
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