Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) in 2013 Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung gegenüber Online-Plattformen (z.B. Ebay) grundsätzlich für zulässig hält, gehen Steuerfahndungsstellen dazu über, nun in anderen Branchen systematisch mit Sammelauskunftsersuchen zu ermitteln.
Aktuelles Beispiel: Eine Steuerfahndungsstelle aus NRW fragt bei Dienstleistern, die Honorarkräfte im Ärztebereich vermitteln, alle Daten über das vermittelte Personal an. Begründet wird dies pauschal mit einem behauptetem „erhöhten Risikoprofil“ dieser Berufsgruppe.
Hinweis der Steueranwälte aus Köln: Wenn sich diese Praxis durchsetzt, werden auch andere Branchen flächendeckend durch ein schlichtes Sammelauskunftsersuchen geprüft werden. Betroffene Unternehmen, die ein Auskunftsersuchen erhalten, sollten sich beraten lassen, ob Einspruch eingelegt und ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden kann, damit das Auskunftsersuchen nicht zwangsweise durchgesetzt wird. Auch aus haftungs- und berufsrechtlichen Gründen kann es u.U. sinnvoll sein, gegen ein Auskunftsersuchen vorzugehen, um gegenüber den eigenen Kunden/Klienten zu dokumentieren, dass Informationen nicht leichtfertig herausgegeben worden sind.
Unsere Hinweise zur Rechtslage: Nach der Regelung des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) ist die Steuerfahndung für die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle zuständig, um diese Fälle den festsetzenden Stellen zu übermitteln (vgl. Bundesfinanzhof – BFH - v. 22.12.2006 – VII B 121/06, BStBl. II 2009, 839). § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO setzt nach Ansicht des BFH über den Wortlaut hinaus voraus, dass angesichts konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung in Betracht kommt (BFH v. 21.3.2002 – VII B 152/01, BStBl. II 2002, 495 [498]). Ein strafprozessualer Anfangsverdacht ist hierfür zwar nicht notwendig. Die Schwelle wird jedoch in den Fällen des Flankenschutzes nicht immer erreicht, weil es sich um ein schlichtes Besteuerungsverfahren handelt. Insb. wenn bei dem Einsatz allein auf den bloßen Effekt des Zufalls gesetzt wird, ist diese Anforderung nicht erfüllt. Denn dann würde es sich um Ermittlungen „ins Blaue hinein“ handeln. Eine Ermittlung „ins Blaue hinein“ ist auch nach Ansicht des BFH unlässig (vgl. BFH v. 16.5.2013, II R 15/12). Im o.g. Fall handelt es sich u.E. um eine bloße Behauptung eines „erhöhten Risikoprofils“. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Erfahrungswerte dieses vorliegen soll. Damit setzt die Steuerfahndungsstelle ersichtlich auf den bloßen Effekt des Zufalls. Somit fehlt ihr die Zuständigkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO und die Befugnis gem. § 93 AO.
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