Für Mandanten sind es einige der brennendsten Fragen: "Muss ich ins Gefängnis?" Oder "Wie hoch wird die Geldstrafe sein?". Recherchiert man im Internet, so wird man oft keine klare Antwort finden. Vielmehr sind die ungeschriebenen Regeln für die Art der Strafe (Freiheitsstrafe mit/ohne Aussetzung zur Bewährung, Geldstrafe) oder für eine Einstellung des Strafverfahrens gegen eine Geldbuße regional viel zu unterschiedlich. Erst die Praxiserfahrung als Steuerstrafverteidiger führt zu einem Gespür für die Höhe einer zu erwartenden Strafe. Die Urteile in der Rechtsprechung und die Stellungnahmen in der Literatur geben oftmals lediglich die persönliche Ansicht wieder. Strafzumessung ist leider zum größten Teil „Verhandlungssache“ und gesetzlich nur oberflächlich geregelt. Dies bedeutet aber auch, dass sich im Bereich der Strafzumessung eine engagierte Verteidigung auszahlen wird und ein wichtiges Betätigungsfeld für den Verteidiger in Steuerstrafsachen darstellt. Neben steuerlichen Gesichtspunkten spielt dabei insbesondere auch die strafrechtliche Seite eine bedeutsame Rolle, so dass ein Verteidiger optimaler Weise sowohl im Steuerrecht als auch im Steuerstrafrecht praktische Erfahrung vorweisen können sollte.
Das Gesetz sieht einen weiten Strafrahmen vor, wobei es sowohl Geldstrafe als auch u.U. Freiheitsstrafe ermöglicht. § 370 Abs. 1 Abgabenordnung (Steuerhinterziehung) sieht als Strafrahmen bei Steuerstrafsachen grundsätzlich die Verhängung einer Geldstrafe vor. Nur in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Hierbei handelt es sich um sogenannte besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung oder die Fälle des gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Schmuggels.
Hinweis vom Steueranwalt aus Köln: Es kursieren zwar sogenannte Strafmaßtabellen. Diese sind jedoch teilweise veraltet bzw. berücksichtigen nicht die regionalen Besonderheiten. Auch sind diese Tabellen nicht bindend, sondern allenfalls ein erster Anhaltspunkt. Selbst innerhalb der gleichen Staatsanwaltschaft bzw. des gleichen Gerichts gibt es unterschiedliche Ansichten zur Strafzumessung. Letztlich entscheidet das Verhandlungsgeschick des Verteidigers. Hierzu müssen die Besonderheiten des Einzelfalles zugunsten des Mandanten herausgearbeitet werden.
Eine Freiheitsstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden (d.h. es kommt zu einer Verurteilung einer Freiheitsstrafe, der Verurteilte muss jedoch nicht tatsächlich ins Gefängnis), wenn es sich um eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren Dauer handelt.
Praxishinweis vom Fachanwalt für Steuerrecht aus Köln: Es ist jedoch die Vorgeschichte zu berücksichtigen, die dazu führen kann, dass ggf. durch eine nachträgliche Gesamtstrafbildung eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung erfolgt. Es kann ggf. auch eine frühere Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden.
Um eine im Einzelfall unvermeidliche Freiheitsstrafe doch noch zur Bewährung aussetzen zu können, bietet es sich im Einzelfall an, ggf. eine Kombination mit einer Geldstrafe anzustreben.
Strafzumessung ist eine Frage des Einzelfalles. Die besonderen Umstände, die für eine Strafmilderung sprechen, sollte der Steuerstrafverteidiger im Gespräch mit dem Mandanten und nach Akteneinsicht detailliert herausarbeiten. Unter Berücksichtigung der so genannten Strafmilderungs- und Strafschärfungsumstände kristallisiert sich eine Strafe heraus, die der erfahrene Steuerstrafverteidiger ungefähr prognostizieren kann. Dies ist – verbunden mit den zwangsläufigen Unsicherheiten - oftmals bereits im Rahmen einer Erstberatung möglich. Hierzu sollte er auch die Besonderheiten des jeweiligen Gerichts und der Ermittlungsbehörde berücksichtigen.
Der Bundesgerichtshof hat zwar seit dem Jahr 2008 mehrfach geäußert, dass eine Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung (also „Knast“) ab einer (Gesamt)Steuerhinterziehung in Höhe von EUR 1 Mio. und eine Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung ab einer Schwelle von EUR 100.000 (unter Umständen auch EUR 50.000) in Betracht kommt. Der Bundesgerichtshof hat jedoch selbst klargestellt, dass es sich bei vorgenannten Schwellenwerten lediglich um Indizien handelt, so dass im Einzelfall davon abgewichen werden kann. Dies bedeutet aber auch, dass zu Ungunsten des Betroffenen hiervon abgewichen werden kann. Insgesamt ist in der Praxis zwar die Tendenz zu beobachten, dass die "Preise" angezogen haben. Dies gilt insbesondere auch für Einstellungen von Steuerstrafverfahren gegen Zahlung einer Geldbuße, da die Ermittlungsbehörden gerne darauf verweisen, "dass man zum strengen Bundesgerichtshof gehen könne". Dennoch gelingt es in der Praxis oftmals, ein deutlich besseres Ergebnis für den Betroffenen zu erzielen. Dies setzt jedoch einen erheblichen Begründungsaufwand und die notwendige Praxiserfahrung voraus. Unsere Steuerfachanwälte aus Köln können insofern auch die Erfahrung aus ihrer früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung einbringen.
Während der erfahrene Verteidiger insbesondere die folgenden strafmildernden Umstände herausarbeiten wird, ist damit zu rechnen, dass die Ermittlungsbehörde sich insbesondere auf strafschärfende Umstände stützt.
Auch für strafmildernde Umstände gilt der Grundsatz "in dubio pro reo". Dies ist der sogenannte Zweifelssatz, der besagt, dass im Strafverfahren Umstände im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten angenommen werden müssen.
Strafschärfungsgründe sind insbesondere:
Der Bundesgerichtshof verlangt nach seiner aktuellen Rechtsprechung, dass bereits ab einem Schwellenwert von EUR 50.000,00 (bei einem erlangten Steuervorteil z.B. im Sinne einer Vorsteuererstattung) bzw. EUR 100.000,00 (bei einer Steuergefährdung im Sinne einer falschen Steuererklärung) in der Regel nicht mehr eine Geldstrafe, sondern eine Freiheitsstrafe verhängt wird, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Ab einem Hinterziehungsvolumen in Höhe von insgesamt EUR 1 Mio. soll grundsätzlich keine Bewährung mehr möglich sein. Diese Regeln dürfen jedoch nicht im Sinne einer starren Regelung verstanden werden, da es keinen festen Tarif für eine Bestrafung gibt. Vielmehr muss der Strafrichter im Einzelfall die strafmildernden Umstände berücksichtigen, so dass bei einer engagierten Verteidigung im Einzelfall ein besseres Ergebnis erzielt werden kann.
Praxishinweis vom Steuerstrafverteidiger aus Köln: Während für die Schwelle von EUR 1 Mio. auf den steuerlichen Gesamtschaden abzustellen ist, kommt es für das Erreichen des Schwellenwertes von EUR 50.000,00/EUR 100.000,00 auf die einzelne Steuerart (z.B. Einkommensteuer) und das betreffende Jahr an. Wenn beispielsweise in den Jahren 2007 und 2008 jeweils Einkommensteuer in Höhe von EUR 70.000,00 hinterzogen worden ist, so wird der oben genannte Schwellenwert nicht erreicht, obwohl beide Jahre in der Summe über EUR 100.000,00 liegen. Trotzdem besteht das Risiko, dass der Strafrichter aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles eine Strafschärfung vornimmt, wenn der Steuerstrafverteidiger dem nicht entschieden entgegentritt.
Die Geldstrafe wird nach Tagessätzen bemessen. Daher berechnet sich die Geldstrafe in zwei Schritten:
Zunächst wird die Anzahl der Tagessätze ermittelt. Diese kann zwischen fünf und max. 360 Tagessätzen liegen. Im Falle der Tatmehrheit dürfen max. 720 Tagessätze verhängt werden.
In einem zweiten Schritt wird die Höhe des Tagessatzes festgelegt. Diese kann in einem Intervall zwischen min. EUR 1,00 und höchstens EUR 5.000,00 liegen. Dies bedeutet, dass die Geldstrafe bei Tatmehrheit nach der gesetzlichen Regelung max. EUR 3,6 Mio. betragen kann. Die Höhe des Tagessatzes bemisst sich nach dem monatlichen Nettoeinkommen (Gewinn), wobei dieser durch 30 geteilt wird. Für das Nettoeinkommen (Gewinn) sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Zeitpunkt der Verurteilung (also nicht zur Tatzeit) maßgebend. Dies bedeutet, dass auch eine verhältnismäßig geringfügige Steuerhinterziehung zu einer hohen Geldstrafe führen kann, wenn der Täter im Zeitpunkt der Verurteilung ein sehr hohes Einkommen erzielt. Ob diese Wirkung dem Zweck der Strafe entspricht, den Täter und die Öffentlichkeit zu überzeugen, ist unseres Erachtens fragwürdig. Im Einzelfall sollte der Strafverteidiger darauf hinwirken, dass in so einer Situation zumindest Abschläge genommen werden.
Für die Bemessung der Tagessatzhöhe sind außerdem folgende Belastungen abzuziehen:
Das Gericht ist für die Bemessung der betreffenden Tagessatzhöhe oft auf die Mitwirkung des Täters angewiesen. Soll der Mandant daher mitwirken? Dies ist mit dem Mandanten im Einzelfall zu besprechen, weil eine solche Mitwirkung u.U. günstig für das „Gesamtpaket“ sein kann. Zudem ergeben sich häufig aus den Strafakten Hinweise auf die finanziellen Verhältnisse und den Lebensstil des Täters, so dass das Gericht ggf. auch das Nettoeinkommen (Gewinn) schätzen kann. Diese Schätzung ist zulässig. Unzulässig ist jedoch eine Beiziehung der aktuellen Steuerakten zur Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, da dies dem Steuergeheimnis widerspricht (§ 30 Abgabenordnung).
Praxishinweis vom Steuerfachanwalt aus Köln: Für das Gericht ist oft das Gesamtpaket aus Tagessatzhöhe und Tagessatzanzahl entscheidend. Hier bieten sich für den Strafverteidiger Ansatzpunkte, an diesen "Stellschrauben" zu justieren, z.B. für eine geringere Tagessatzanzahl zu plädieren, wenn sich eine hohe Tagessatzhöhe ergeben sollte (oder umgekehrt). Diese Vorgehensweise bietet sich vor allem dann an, wenn eine geringere Tagessatzanzahl wichtig ist, um eine Eintragung in das polizeiliche Führungszeugnis zu vermeiden.
Die Höhe der Strafe ist auch für die Art des Strafverfahrens entscheidend: Die „Schallgrenze“ von 720 Tagessätzen Geldstrafe (bei einer Gesamtstrafenbildung, oder ein Jahr Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung) darf nicht überschritten werden, damit eine Abwicklung im Wege des nicht öffentlichen Strafbefehlsverfahrens möglich ist. Ansonsten droht eine öffentliche Hauptverhandlung (Medien!).
Will sich ein Betroffener bewerben oder muss er z.B. in bestimmten zeitlichen Abständen seinem Arbeitgeber oder Auftraggeber ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, so muss der Steuerstrafverteidiger den Schwellenwert für die Eintragung in das Führungszeugnis beachten, denn ohne Eintragung in dieses Führungszeugnis darf sich der Verurteilte privaten Personen gegenüber als nicht vorbestraft bezeichnen. Bis zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (oder entsprechend drei Monate Freiheitsstrafe) wird kein Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis vorgenommen. Eine Eintragung ist jedoch trotzdem möglich, wenn es sich um einen Zweiteintrag handelt.
Das Gericht kann dem Verurteilten im Einzelfall eine Zahlungsfrist einräumen oder ihm gestatten, die Strafe in Raten zu zahlen.
Praxishinweis des Steuerfachanwalts aus Köln: Der Betroffene sollte für eine erfolgreiche "Erledigung" des Falles bedenken, dass einerseits hinreichend Liquidität für die Geldstrafe (wenn diese unvermeidbar ist) bereitsteht. Daneben belastet die nachzuzahlende Steuer samt 6% Nachzahlungszinsen pro Jahr die Finanzen des Betroffenen. Diese Zinsen können einen erheblichen Betrag ausmachen, wenn das Finanzamt Altjahre nachträglich besteuern darf, die z.T. mehr als zehn Jahre zurückliegen (dann unter Umständen mehr als 10 x 6% = 60% Zinsen). Auf z.B. 100.000 Euro 11 Jahre alte Steuern kommen dann nochmals 60.000 Euro Zinsen oder mehr.
Wenn der Verurteilte die Geldstrafe nicht zahlen kann, so tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe, wobei einem Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe entspricht.
Zusammenfassend sollte ein Betroffener die finanzielle Belastung auf beiden Ebenen (strafrechtliche Sanktionen) und steuerliche Nachzahlung durch einen Fachanwalt für Steuerrecht im Vorfeld einer Verurteilung zumindest schätzen lassen. Während die Höhe der Strafe zu Beginn eines Steuerstrafverfahrens nicht immer seriös exakt beziffert werden kann, wird die Benennung eines Spielraums möglich sein. Zudem können Steuern samt Zinsen bei Bedarf auf den Euro genau errechnet werden.
LHP Rechtsanwälte stehen Ihnen im Rahmen steuerrechtlicher Beratung wie steuerstrafrechtlicher Aufklärung im Zusammenhang mit Steuerdelikten zur Verfügung, übernehmen anwaltliche Vorbereitung und Begleitung von Betriebsprüfungen und verteidigen Sie gegenüber Finanzbehörden und Gerichten beim Verdacht der Steuerhinterziehung. Ziel der Vertretung im Steuerstrafrecht ist die Straffreiheit bzw. ein möglichst geringes Strafmaß.
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