Die Ermittlungsbehörden haben ihre Kompetenz im Bereich der Vermögensabschöpfung (Vermögensbeschlagnahme) durch laufende interne Fortbildung ausgebaut, so dass dingliche Arreste in Steuer- und Korruptionsstrafverfahren vermehrt erlassen werden. Aufgrund der Komplexität der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen stehen Betroffene meist ratlos gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund eines dinglichen Arrests, der soeben ihre Existenz zu ruinieren droht. In diesem Falle ist eine effiziente Unterstützung durch Experten im Steuerstrafrecht empfehlenswert. Ihr Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Steuerberater in Köln kann in solchen Notsituationen
Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung durch das Zweite Coronahilfe-Gesetz vom 29.6.2020 möchten wir aus diesem aktuellen Anlass besonders auf die zeitlich erheblich erweiterten Möglichkeiten zur Abschöpfung von Taterträgen (Steuerverkürzungen) hinweisen. Hierzu geben wir unten in Punkt 5 Erläuterungen zum Verständnis dieser neuen und für den Betroffenen oft komplexen Rechtsmaterie. Im Ergebnis können nun im Einzelfall Taterträge bis zu rund 37 Jahre abgeschöpft werden, obwohl die steuerliche Verjährung längst eingetreten ist. Die Steueranwälte von LHP sehen daher auch in dieser Neuregelung ein wichtiges Verteidigungsfeld.
Der dingliche Arrest ist ein Hoheitsakt, der es der Ermittlungsbehörde ermöglicht, sehr schnell in das Vermögen des Betroffenen (Beschuldigter oder Dritter, wie z.B. eine GmbH) zu vollstrecken. Hierzu muss die Behörde nicht das übliche Besteuerungsverfahren bis zur Rechtskraft der Steuerbescheide abwarten. Dieses Arrestverfahren kann sich einerseits nach der Strafprozessordnung (StPO), aber auch nach der Abgabenordnung (AO) richten. Typischerweise nutzen die Ermittlungsbehörden den dinglichen Arrest gem. der StPO, wobei die Vollstreckung dann im Wege der sog. "Rückgewinnungshilfe" erfolgt. Im Einzelnen ist es umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen einer dieser beiden Arrestformen Vorrang vor dem anderen hat. Diese Vorrangfrage ist entscheidend: Der strafprozessuale Arrest wird durch den Ermittlungsrichter am Amtsgericht erlassen, welcher tendenziell eher geneigt ist, den Behauptungen / Ausführungen der Ermittlungsbehörde Glauben zu schenken. Hingegen kann ein dinglicher Arrest nach der Abgabenordnung durch das Finanzgericht geprüft werden. Finanzgerichte sind hingegen dafür bekannt, dass sie - im Gegensatz zu Amtsgerichten - dinglichen Arresten weniger wohlwollend gegenüberstehen. Unsere Rechtsanwälte / Fachanwälte für Steuerrecht / Steuerberater in Köln kennen die praktischen Verfahrensabläufe im Arrestverfahren und die entsprechenden Gesichtspunkte zur Abwehr dieser existenzbedrohenden Vermögenseingriffe.
Während ein Durchsuchungsbeschluss automatisch nach sechs Monaten seine Wirkung verliert, muss der Betroffene auf eine Aufhebung des dinglichen Arrestes durch das Gericht hinwirken. So sieht die Strafprozessordnung vor, dass ein dinglicher Arrest grundsätzlich nach sechs Monaten aufzuheben ist, wenn keine dringenden Gründe für eine Aufrechterhaltung bestehen.
Ansatzpunkte für die Verteidigung sind vielfältig:
Da die Frage des richtigen Rechtsschutzes im Steuerrecht keine Alltagsfrage ist, handelt es sich um eine Aufgabe für Experten des Steuerstrafrechts. Diese kennen die maßgeblichen Möglichkeiten zur Anfechtung dinglicher Arreste:
Bereits dieser kurze Überblick über die Komplexität dinglicher Arreste zeigt, dass eine effiziente und zügige Verteidigung nur möglich ist, wenn der Berater den Gesamtüberblick und die notwendige Praxiserfahrung hat, um schnell und effektiv handeln zu können.
Überblick über die Neuregelung der Vermögensabschöpfung
Der Gesetzgeber hat mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz vom 29.6.2020 eine einschneidende Neuregelung in § 375a AO eingeführt, um die Einziehung von Tatvorteilen auch bei einer steuerlichen Verjährung offenzuhalten. Diese Regelung hat er durch das Jahressteuergesetz 2020 mit Wirkung zum 29.12.2020 in § 73e Abs. 1 StGB für sämtliche Strafverfahren zementiert (neben Steuerhinterziehung auch bei Betrug usw.) und gleichzeitig konnte er hierdurch die nun überflüssige Neuregelung des § 375a AO wieder aufheben. Nun kann im Einzelfall bis zu 42,5 Jahre rückwirkend steuerlich abgeschöpft („vollstreckt) werden, auch wenn steuerlich bereits Verjährung eingetreten ist. Die reguläre steuerliche Verjährungsfrist beträgt hingegen 4 Jahre und bei Hinterziehung 10 Jahre (im Einzelnen bestehen gesetzliche Verlängerungstatbestände, die die Steueranwälte von LHP prüfen). Dieser Unterschied ist mehr als deutlich und hier stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber sein Gespür für eine rechtsstaatliche Begrenzung staatlicher Befugnisse aus den Augen verloren hat. Die Neuregelung des § 375a AO vom 29.6.2020 gilt für alle Steueransprüche, die am Tag nach der Gesetzesverkündung noch nicht steuerlich verjährt sind (Art. 97 § 34 EGAO).
Für Mandanten können sich durch die Neuregelung bedeutsame und unliebsame Überraschungen ergeben, so dass Beratungen bei Abgabe einer Selbstanzeige und Betriebsprüfung nun besonders sorgfältig erfolgen müssen. Zusätzliche Brisanz ergibt sich durch die gleichzeitige Neuregelung der strafrechtlichen Verjährung in § 376 AO, so dass die Auswirkungen beider Neuregelungen besonders in ihrer Kombination zu sehen sind.
Die Einzelheiten
Durch die aktuelle Rechtsentwicklung der Jahre 2017-2020 ist es zu erheblichen Änderungen bei der steuerstrafrechtlichen Verjährung und der Möglichkeit der langfristigen Abschöpfung von Vermögensvorteilen („Tatvorteile“) gekommen. In vielen Fällen können sich Beschuldigte nicht mehr auf den Eintritt der steuerlichen Festsetzungsverjährung berufen. Insbesondere bei Abgabe einer Selbstanzeige gem. § 371 AO muss nun das Vollständigkeitsgebot neu überdacht werden. Zudem können sich aufgrund von Betriebsprüfungen Nachforderungen für Uralt-Jahre ergeben. Doch der Reihe nach:
Seit der Neuregelung der gesetzlichen Reform der Vermögensabschöpfung zum 1.7.2017 haben Vertreter der Finanzverwaltung auf Podiumsdiskussionen die Ansicht vertreten, dass Tatvorteile („ersparte Steuern“) auch noch nach Eintritt der steuerlichen Verjährung abgeschöpft werden können. Diese umstrittene Ansicht würde dazu führen, dass die steuerlichen Verjährungsfristen faktisch ausgehebelt würden, denn die steuerliche Verjährung führt kraft Gesetzes zum Erlöschen des Steueranspruchs (§ 47 AO). Auch unser Rechtsanwalt Dirk Beyer hat dieser Ansicht widersprochen (Fachzeitschrift NWB 2018, S. 1209).
Praxishinweis: Diese umstrittene Ansicht von Vertretern der Finanzverwaltung ermöglicht die „Vollstreckung“ (Abschöpfung) von Steueransprüchen, die eigentlich bereits steuerlich verjährt sind! Bei einem solchen Gesetzesverständnis haben nicht nur Rechtsanwälte ein Störgefühl! Eine solche Ausdehnung widerspricht dem rechtsstaatlichen Zweck von Verjährungsfristen, Rechtsfrieden einkehren zu lassen.
Nachdem das Landgericht Bonn mit Urteil v. 18.3.2020 erstmals einen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung im Rahmen von Cum/Ex-Strukturen verurteilte, sahen die Ermittlungsbehörden die Möglichkeit, steuerlich (bald) verjährte Ansprüche durch eine strafprozessuale Vermögensabschöpfung zu „retten“. Da der Gesetzgeber wohl ahnte, dass Gerichte dieser unzutreffenden Gesetzesauslegung durch Finanzbehörden möglicherweise nicht folgen würden, hat er für eine gesetzliche Festschreibung dieser umstrittenen Ansicht der Ermittlungsbehörden gesorgt. So hat der Gesetzgeber schnell reagiert und mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz § 375a AO eingeführt, um hinsichtlich der Strafbarkeit von Cum/Ex-Strukturen die Einziehung der Tatvorteile auch bei steuerlicher Verjährung offenzuhalten.
Das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz vom 29.6.2020 sieht hierfür in der Neuregelung des § 375a AO eine Vermögensabschöpfung (Steuerbeitreibung) nun ausdrücklich für die Fälle vor, in denen der Steueranspruch bereits steuerlich festsetzungsverjährt ist. Die Regelung des neuen § 375a AO regelt, dass „das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 AO [...] einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuches nicht entgegen[steht]“.
Praxishinweis: Damit hat der Gesetzgeber die oben genannte umstrittene Gesetzesauslegung durch Ermittlungsbehörden zumindest für Steuerstrafverfahren zementiert. Zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber durch die Einführung einer Stichtagsregelung verhindert hat, dass Taterträge aus steuerlich bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits verjährten Veranlagungszeiträumen der Einziehung unterliegen, obwohl eine Strafverfolgung ggf. noch möglich ist.
Diese neue Sonderregelung gilt nur für Steuerstrafverfahren. Der Gesetzgeber beabsichtigte dann im Herbst 2020, diese Regelung zu verallgemeinern. In seinem Entwurf zur Änderung der Strafprozessordung (Referentenentwurf vom 15.10.2021) erweckt der Gesetzgeber noch nicht einmal den Anschein, sich mit der Kritik an der Neuregelung des § 375a AO auseinanderzusetzen. In Artikel 11 dieses Referentenentwurfs vom 15.10.2020 war eine Neuregelung des § 73e Abs. 1 StGB vorgesehen, gemäß der die Verjährung jeglicher Ansprüche einer strafprozessualen Einziehung (Vermögensabschöpfung) nicht entgegensteht. Damit sollte die Regelung des § 375a AO (welche nur für Steueransprüche gilt) auf jegliche Strafverfahren bzw. Ansprüche ausgedehnt werden. Dieser Absicht widersprachen Fachkreise, u.a. auch unser Rechtsanwalt Dirk Beyer im Editorial in der Fachzeitschrift NWB Nr. 45/2020, S. 3289. Während das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordung weiterhin Zeit benötigte, hat sich der Gesetzgeber dann entschieden, die Neuregelung des oben genannten § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB für sämtliche Strafverfahren (kein Ausschluss der Vermögensabschöpfung durch Anspruchsverjährung) bereits durch das Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020 einzuführen. Gleichzeitig hat das Jahressteuergesetz 2020 die nun überflüssige Spezialnorm des § 375a AO aufgehoben. Die Neuregelung wurde am 28.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 29.12.2020 in Kraft (BGBl I 2020, 3096).
Fazit: Eine Vermögensabschöpfung ist nach der gesetzlichen Neuregelung seit dem 1.7.2020 in Steuerstrafverfahren möglich auch wenn Steueransprüche steuerlich bereits verjährt sind. Die steuerliche Verjährung beträgt eigentlich nur um 4 bis 10 Jahre (mit etwaigen Verlängerungen im Einzelfall). Eine Abschöpfung der Tatvorteile (Steuerverkürzungen bei Steuerhinterziehung) kann hingegen bis zu 42,5 Jahren erfolgen, da der Gesetzgeber außerdem in § 376 AO die strafrechtliche Verjährung verlängert hat.
Praxisbedeutung auch für Selbstanzeigen und Betriebsprüfungen:
Eine Einziehung für – im Einzelfall - bis zu rund 37 vergangene Jahre hat gravierende Auswirkungen z. B. für Selbstanzeigen und auch für Betriebsprüfungen, in denen eine Steuerhinterziehung festgestellt wird. Als Folge dieser Neuregelung droht z. B. nach einer Betriebsprüfung oder einer Selbstanzeige – jeweils nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens – die Beitreibung von Uralt-Steuern, die das Finanzamt selbst gar nicht mehr festsetzen und einfordern könnte.
Der Steuerpflichtige muss nun trotz steuerlicher Verjährung damit rechnen, dass er Vermögensvorteile, die ihm aus der Hinterziehung insbesondere bei Dauersachverhalten viele Jahre lang (unrechtmäßig) erwachsen sind, bis zu rund 37 Jahren herausgeben muss. Dies bedeutet praktische Risiken:
Die Steueranwälte von LHP prüfen hier im Einzelfall die besondere Regelung des Rückwirkungsverbots: Die Neuregelung des § 375a AO gilt nur Steueransprüche, die am Tag nach der Gesetzesverkündung noch nicht steuerlich verjährt sind (Art. 97 § 34 EGAO).
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