Das deutsche Steuerverfahrensrecht ist geprägt von einem umfassenden Pflichtenkatalog zur Mitwirkung für alle Steuerpflichtigen aber auch für „unbeteiligte“ Dritte. Begehrt die Finanzbehörde von einem unbeteiligten Dritten Auskunft über eine noch unbestimmte Anzahl von steuerlich relevanten Sachverhalten verschiedener Steuerpflichtiger, spricht man von einem sog. Sammelauskunftsersuchen.
Zwar obliegt es grundsätzlich der Finanzbehörde, den steuerlich bedeutsamen Sachverhalt zu ermitteln und ihn der Besteuerung zuzuführen (sog. Untersuchungsgrundsatz, § 88 AO). Da die Finanzbehörde hierbei allerdings oftmals weitgehend auf die Mithilfe des Steuerpflichtigen oder unbeteiligter Dritter angewiesen ist, sind diese zur aktiven Mitwirkung an der Ermittlung des steuerlich relevanten Sachverhalts verpflichtet, soweit ihnen das Gesetz dies aufgibt. So folgt z.B. aus § 93 Abs. 1 AO unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Auskunftserteilung über steuerlich relevante Sachverhalte.
Was genau unter einem Sammelauskunftsverfahren zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in § 93 Abs. 1a Satz 1 AO definiert. Danach handelt es sich um das an einen Dritten (d.h. nicht an den Steuerpflichtigen oder sonstigen Beteiligten) gerichtete Auskunftsersuchen, mit dem die Finanzbehörde Auskunft über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten begehrt. Die Sachverhalte betreffen dabei einen dem Grunde nach bestimmbaren, allerdings bislang noch nicht konkret bekannten Personenkreis. Hierdurch unterscheidet sich das Sammelauskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1a AO von dem herkömmlichen Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 AO.
Beachten Sie: Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 93 Abs. 1a AO (erst) mit dem sog. StUmgBG vom 23.6.2017 neu in das Gesetz eingefügt. Hintergrund war die aufsehenerregende mediale Berichterstattung über weitreichende Steuerumgehungspraktiken auf internationalem Parkett (sog. Panama-Papers). Allerdings wurde die prinzipielle Zulässigkeit von derartigen Sammelauskunftsersuchen vonseiten der Rechtsprechung bereits zuvor anerkannt und als Anwendungsfall von § 93 Abs. 1 AO a.F. gesehen, sodass die gesetzliche Ergänzung lediglich klarstellenden Charakter hat. Zu einer inhaltlichen Ausweitung der bereits von der Rechtsprechung abgesteckten Befugnisse ist es hierdurch nicht gekommen.
Als Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen verlang das Gesetz, dass aus Sicht der Finanzbehörde aufgrund einer begründeten Prognose ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und, dass andere zumutbaren Maßnahmen nicht erfolgversprechend sind (§ 93 Abs. 1a Satz 2 AO). Diese Voraussetzungen sind letztlich Ausfluss des sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ob ein Sammelauskunftsverfahren zulässig ist, bestimmt sich demnach anhand einer umfassenden Interessenabwägung. Es ist danach zu fragen, ob das Sammelauskunftsersuchen in Anbetracht der verschiedenen Interessen des unbeteiligten Auskunftsadressaten (Aufwandsminimierung), des Steuerpflichtigen (Geheimhaltung) und der Finanzbehörde (Fiskalinteresse) als verhältnismäßig anzusehen ist.
Bei der Vorschrift des § 93 Abs. 1a AO zum Sammelauskunftsersuchen handelt es sich um eine allgemeine Bestimmung, die grundsätzlich in allen Steuerverfahrensarten der Abgabenordnung (einschließlich des Haftungs-, Rechtsbehelfs- und Vollstreckungsverfahrens) Geltung beansprucht. Durch speziellere gesetzliche Regelungen gelten allerdings zum Teil Einschränkungen oder Erweiterungen, so z.B. in den Fällen der Außenprüfung (§ 200 Abs. 1 Satz 4 AO), der Steuerfahndung (§ 208 Abs. 1 Satz 3 AO) und der Steueraufsicht (§ 211 AO).
Beachten Sie: Das Rechtsinstrument des Sammelauskunftsersuchens steht keineswegs ausschließlich den Finanzbehörden zur Verfügung. Vielmehr können sich grundsätzlich auch die Strafverfolgungsbehörden auf § 93 Abs. 1a AO berufen (§ 208 Abs. 1 AO).
Der Auskunftsverpflichtete hat der Finanzbehörde grundsätzlich nur nachweisebare Tatsachen mitzuteilen, sodass er nicht verpflichtet ist, unbestätigte Vermutungen oder subjektive Rechtsansichten kundzutun. Er unterliegt einer Wahrheitspflicht, seinen Kenntnisstand muss er nach bestem Wissen und Gewissen offenbaren (§ 93 Abs. 3 AO). Kann der Auskunftsverpflichtete bestimmte Informationen nicht spontan ("aus dem Stehgreif") erteilen, ist er zu zumutbaren Nachforschungen (Einsichtnahme von Büchern, Aufzeichnungen, etc.) verpflichtet.
Weigert sich der Verpflichtet, der Finanzbehörde die rechtmäßig verlangten Auskünfte zu erteilen, so drohen weitreichende Konsequenzen: Die Finanzbehörde ist grundsätzlich befugt, Zwangsmittel (§ 328 ff. AO) anzuwenden, die bis zu einer ersatzweisen Zwangshaft reichen können (§ 334 AO). Auch kann sie den Verpflichteten statt dazu auffordern, die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern (§ 95 Abs. 1 Satz 1 AO).
Beachten Sie: Die genannten Maßnahmen stehen der Finanzbehörde grundsätzlich auch dann zur Verfügung, wenn das Sammelauskunftsersuchen rechtswidrig ist. Dem Auskunftsadressaten obliegt es in diesen Fällen, rechtzeitigen (ggf. einstweiligen) Rechtsschutz einzuholen, um ein unberechtigtes Auskunftsbegehren abzuwehren. Zu beachten ist stets auch ein mögliches Auskunftsverweigerungsrecht des Befragten (§§ 101 ff. AO).
Dem Auskunftsadressaten stehen verschiedene verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um sich gegen ein rechtswidriges Sammelauskunftsersuchen zur Wehr zu setzen. Da es sich hierbei um einen sog. Verwaltungsakt (§ 118 AO) handelt, ist zunächst das Rechtsmittel des Einspruchs statthaft (§ 347 AO). Sollte dieser nicht zum Erfolg führen, ist an eine finanzgerichtliche Anfechtungsklage zu denken (§ 40 Abs. 1 FGO). Einstweiliger Rechtsschutz kann – in besonders eiligen Fällen – durch Beantragung der Aussetzung der Vollziehung (AdV) beim zuständigen Finanzamt erlangt werden (§ 361 AO). Sollte ein solcher Antrag dort keinen Erfolg haben, steht der Weg zu den Finanzgerichten offen (§ 69 FGO).
Beachten Sie: Es gibt viele verschiedene Gründe, die es rechtfertigen können, sich gegen ein Sammelauskunftsersuchen zu wehren. Gerügt werden kann zum Beispiel die fehlende Bestimmtheit oder Begründung der Auskunftsaufforderung oder eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Finanzbehörde. Ob ein Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat, ist dabei immer eine Frage des Einzelfalls. In den meisten Fällen erscheint es sinnvoll, vor Einlegung eines Rechtsmittels um rechtlichen Rat nachzusuchen.
Unsere Steueranwälte besprechen mit Betroffenen ein Sammelauskunftsersuchen, legen in Absprache mit den Mandanten ggf. Einspruch ein und beantragen Aussetzung der Vollziehung. Dann darf das Sammelauskunftsersuchen zunächst nicht weiter vollzogen werden. Letztlich entscheidet dann die Einspruchsentscheidung des Finanzamtes und ggf. das Finanzgericht, wenn der Mandant aufgrund von Erfolgsaussichten eine Klage erheben möchte.
Als Rechtsanwälte und Steuerberater verfügen wir über eine langjährige Erfahrung bei der Wahrnehmung der steuerlichen Interessen unserer Mandanten. Ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist die Beratung in steuerverfahrensrechtlichen Angelegenheiten, bei denen wir aufgrund unserer tiefen Kenntnisse erfolgreich und lösungsorientiert arbeiten. Haben Sie Fragen zu einem Sammelauskunftsersuchen? Wir helfen Ihnen hierbei gerne weiter, indem wir etwaige Rechtsschutzmöglichkeiten unter Beurteilung rechtlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten mit Ihnen besprechen. Sprechen Sie uns gerne an!
Kontaktieren Sie uns gerne über unser Kontaktformular. Wir melden uns umgehend bei Ihnen zurück. Sie können uns auch telefonisch kontaktieren unter +49 221 39 09 770.
An der Pauluskirche 3-5,
50677 Köln,
Telefon: +49 221 39 09 770
Tödistrasse 53, CH-8027 Zürich,
Telefon: +41 44 212 3535