In der Praxis der Betriebsprüfung ist die tatsächliche Verständigung eine Option zur Streitvermeidung. LHP Rechtsanwälte und Steuerberater begleiten einvernehmliche Lösungen mit dem Finanzamt und sorgen für Rechtssicherheit rund um die tatsächliche Verständigung.
Bei Betriebsprüfungen kommt es oft zu Hinzuschätzungen, die für den Mandanten nicht nachvollziehbar sind. In diesen Fällen kann entweder der streitige Weg oder eine einvernehmliche Lösung mit dem Finanzamt gesucht werden. Der Streitige Weg dauert oftmals lang: Zunächst ist ein Einspruchsverfahren gegen die neuen Steuerbescheide und anschließend ggf. ein Klageverfahren beim Finanzgericht zu führen. Dies kann u.U. mehrere Jahre dauern. In der Praxis möchten unsere Mandanten daher oftmals, dass wir uns um eine tatsächliche Verständigung mit dem Finanzamt kümmern. Dies ist aus unserer Sicht ein praktikabler Weg, um eine tragfähige Lösung zu finden. Kurz gesagt: Bei einer tatsächlichen Verständigung wird schriftlich ein bestimmter Sachverhalt zugrunde gelegt, wenn sich der wirkliche Sachverhalt nicht mehr oder nur mit unzumutbarem Zeit- und Personalaufwand ermitteln ließe. Anschließend wird von keiner Seite mehr über diesen Sachverhalt gestritten. Hier möchten wir einen Einblick in unsere praktischen Erfahrungen als Steueranwälte mit tatsächlichen Verständigungen geben. Natürlich kann dies nur ein erster Überblick sein, welcher z.B. eine Erstberatung im Einzelfall nicht ersetzen kann.
Aufgrund der Einigung mit dem Finanzamt bleiben dem Mandanten langwierige und kostspielige Einspruchs- und Gerichtsverfahren erspart. Mit der beiderseitigen Unterschrift unter die tatsächliche Verständigung entsteht eine Bindung sowohl des Finanzamtes als auch des Mandanten an die Einigung. Der Mandant muss daher nicht fürchten, dass das Finanzamt diesen vereinbarten Sachverhalt nun noch in Frage stellt. Allerdings sollte eine tatsächliche Verständigung gut geplant sein, weil auch der Mandant an sie gebunden ist. Anschließend kann nicht mehr mittels Einspruchs gegen die Steuerbescheide vorgegangen werden, die aufgrund der tatsächlichen Verständigung ergehen. Nur in extremen Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung bisher akzeptiert, dass sich eine Seite wieder von der tatsächlichen Verständigung lösen kann.
Vorsicht ist allerdings geboten aufgrund des steuerlichen Abschnittsprinzips (Jahressteuerprinzip): Die tatsächliche Verständigung gilt nur für die Jahre, für die sie ausdrücklich vereinbart wurde. Für frühere oder spätere Jahre entsteht juristisch keine Bindung des Finanzamtes. Umgekehrt natürlich auch nicht für den Mandanten. In der Praxis achten wir darauf, dass eine tatsächliche Verständigung für alle Jahre wasserdicht formuliert wird und sich der Mandant auf Rechtssicherheit verlassen kann.
In einer tatsächlichen Verständigung können Einigungen über den steuerrechtlich maßgebenden Sachverhalt getroffen werden. Hierzu gehören alle tatsächlichen Umstände, die für die Besteuerung relevant sind. Beispielsweise können folgende Punkte vereinbart werden:
Zulässig sind somit Einigungen über Tatsachen und diese sind von Einigungen über Rechtsfragen abzugrenzen. Über den Steueranspruch selbst kann somit keine Einigung getroffen werden. Unzulässig ist also z.B. eine Vereinbarung wie folgt: „Hiermit wird vereinbart, dass der Unternehmer X für das Jahr 2012 weitere 10.000 Euro Umsatzsteuer schuldet“. Auch wenn somit keine Einigungen über Rechtsfragen zulässig sind, so können aber Einigungen über die Auslegung und rechtliche Beurteilung von Vorfragen zum Sachverhalt getroffen werden.
Die Auslegung von Verträgen oder die Angemessenheit von einer Geschäftsführer-Gesamtausstattung ist zwar jeweils eine rechtliche Frage. Jedoch handelt es sich um bloße Vorfragen der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen und diese können daher Gegenstand der Einigung sein.
Die Aufteilung von Umsätzen nach Regelsteuersatz (19%) und den ermäßigten Steuersatz von 7% ist keine unzulässige Vereinbarung über die gesetzliche Höhe des Steuersatzes. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Vereinbarung über den Sachverhalt.
Diese Beispiele zeigen, dass die Strategie für eine tatsächliche Verständigung gut geplant werden sollte. Nur dann, wenn das Ziel des Mandanten mit einer tatsächlichen Verständigung auch praktisch und rechtlich realisierbar ist, kann diese Methode in Betracht gezogen werden. In unserer Praxis ergibt sich allerdings immer wieder die Möglichkeit, eine doch noch zulässige Formulierung einer tatsächlichen Verständigung zu finden. Rechtsfragen können im Einzelfall als tatsächliche Fragen umformuliert werden.
Eine tatsächliche Verständigung setzt außerdem voraus, dass die Sachverhaltsaufklärung erschwert ist. Dies ist der Fall, wenn der steuerrelevante Sachverhalt trotz Mitwirkung und Ermittlung durch das Finanzamt nur mit überdurchschnittlichem Arbeits- und Zeitaufwand oder nach überdurchschnittlicher Zeitdauer ermittelt werden kann.
Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Sachverhalt viele Jahre zurückliegt oder Zeugen oder andere Beweismittel nicht mehr existieren. Weiterhin kann eine tatsächliche Verständigung nur für die Vergangenheit vereinbart werden.
2016 kann keine tatsächliche Verständigung betreffend das Jahr 2017 getroffen werden. Zulässige Jahre sind allein die Zeiträume bis zum Tag der Verständigung.
Wünscht ein Mandant Klarheit für die Zukunft, so nutzen wir Steueranwälte in der Praxis das Mittel der verbindlichen Zusage bzw. Auskunft. Der Mandant hat u.U. einen Anspruch gegen das Finanzamt auf Erteilung einer Auskunft, um Klarheit für seine künftigen Dispositionen zu erhalten. Die tatsächliche Verständigung darf nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen. Dies bedeutet insbesondere, dass sie noch vertretbar erscheinen muss. In der Praxis spielt insofern eine erhebliche Rolle, ob es gelingt, den geschätzten Sachverhalt plausibel zu machen. Hierzu bietet es sich an, dem Betriebsprüfer die Besonderheiten z.B. des Unternehmens oder bestimmter Jahre (z.B. wirtschaftlicher Einbruch) darzulegen. Eine besondere Form ist zwar nicht vorgeschrieben. Eine tatsächliche Verständigung sollte jedoch schriftlich erfolgen. Zudem muss seitens des Finanzamtes der Sachgebietsleiter (oder Amtsleiter) zustimmen, welcher für die Veranlagung – also die Steuerfestsetzung – zuständig ist.
Aus der Praxis kennen wir die Doppelgleisigkeit: Wenn ein Mandant nicht nur von einer Betriebsprüfung, sondern auch von einem Steuerstrafverfahren betroffen ist, so sollte für beide Verfahren ein „Deckel“ gefunden werden. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren sind jedoch selbständige Verfahren.
Es ist Vorsicht geboten: Wenn vorschnell allein im Besteuerungsverfahren eine Einigung durch eine tatsächliche Verständigung gefunden wird, kann die Strafsachenstelle bzw. Staatsanwaltschaft hiervon unabhängig weiterhin das Steuerstrafverfahren führen. Es droht somit ggf. eine weitere unbekannte finanzielle Belastung z.B. in Form einer Geldstrafe.
Daher sollte eine Einigung gleichzeitig für Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren gefunden werden (sog. doppelte Verständigung). In der Praxis funktioniert dies oft so, dass vorab die Strafsachenstelle kontaktiert wird, ob sie im Rahmen der Betriebsprüfung mitsprechen möchte oder sich dem Ergebnis anschließt. Auch kommt es in der Praxis vor, dass Strafsachenstellen bereit sind, eine sog. strafrechtliche Einigung schriftlich zu schließen. Diese ist dann oft ähnlich eine eine tatsächliche Verständigung formuliert.
Bei der Formulierung einer tatsächlichen Verständigung achten wir Steueranwälte immer darauf, dass sich hieraus kein Schuldeingeständnis ergibt.
Zusammenfassend möchten wir auf die besondere Chance einer tatsächlichen Verständigung hinweisen, um schnell Klarheit zu haben und eine wasserdichte Lösung zu finden. Eine Verständigung sollte hierzu professionell vorbereitet werden. Denn ist diese erst einmal beiderseits unterschrieben, ist der Mandant an diese gebunden. Ein Einspruch ist dann nicht mehr möglich. Daher sollten vorab alle Konsequenzen durchdacht werden. Auch sollte die Formulierung gut vorbereitet und die Möglichkeiten einer tatsächlichen Verständigung mit dem Finanzamt ausgelotet werden. Eine vorschnelle Unterschrift kann der Mandant sonst später bereuen. Allerdings kann dem Mandanten auch die Sorge genommen werden, wenn er weiß, worauf er sich einlässt und was ihn aufgrund der tatsächlichen Verständigung erwartet. Hierzu stellen wir bei Bedarf die notwendigen steuerlichen Berechnungen an. Bei Steuerstrafverfahren sollte eine Einigung auch in diesem Verfahren gefunden werden.
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