Für einen Steuerberater oder steuerlich versierten Anwalt bestehen vielfältige Möglichkeiten, um die Schätzungsergebnisse der Betriebsprüfung zu erschüttern. Das Thema Schätzung ist ein „Dauerbrenner“ im Besteuerungsverfahren speziell im Betriebsprüfungsverfahren und im Steuerstrafverfahren (vgl. die Praxishinweise unseres Steueranwalts Dirk Beyer in NWB Nr. 6/2018, S. 356). Die Anzahl der Schätzungen im Rahmen einer Betriebsprüfung ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Die Ursache hierfür liegt nicht darin, dass die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten stärker vernachlässigt werden. Es hat sich vielmehr die Vorgehensweise der Finanzverwaltung und die Qualität der Schätzungen grundlegend verändert, indem EDV-gestützte Kalkulationsprogramme in der Finanzverwaltung eingesetzt werden. Hierbei sollte die Kreativität und auch die Qualität der Betriebsprüfer nicht unterschätzt werden. Die Schätzungsergebnisse können die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen bedrohen, zudem wird häufig zusätzlich ein Steuerstrafverfahren gegen Inhaber oder Geschäftsführer eingeleitet.
Aufgrund der deutlich verbesserten Ausrüstung und der gezielten Schulung der Betriebsprüfer mit Prüf- und Kalkulationsprogrammen ist davon auszugehen, dass Betriebsprüfungen in Art und Umfang weiter intensiviert werden. Dieses führt zu einer stärkeren Berücksichtigung auch kleiner Fehler bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung als dieses in der Vergangenheit der Fall war. So wurden früher beispielsweise fehlende Barentnahme-Belege des Unternehmers (Eigenbelege) in der Kassenbuchführung nicht einmal thematisiert, weil die Entnahme als solche ja in dem Kassenbuch erkennbar ist. Neuerdings stellt dieser Vorgang nach der Rechtsprechung einen schweren Mangel dar, der in der Betriebsprüfung auch durchaus aufgegriffen wird. In diesem Zusammenhang wird auch § 158 AO relevanter, wonach Buchführung und Aufzeichnungen grundsätzlich als Grundlage der Besteuerung angesehen werden, sofern sie den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, das jedoch nur in den Fällen, in denen kein Anlass zu Beanstandungen ihrer sachlichen Richtigkeit besteht. Die Bedeutung der sog. Richtigkeitsvermutung nach § 158 AO kann nicht überschätzt werden.
Bei einer Überprüfung durch die Finanzbehörden wird nicht nur nach sachlichen Fehlern gesucht. Um die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO zu erschüttern sind auch formale Mängel im Fokus der Prüfer. Ein formaler Mangel ergibt sich hierbei durch eine Nichteinhaltung der Ordnungsvorschriften sowie der Aufbewahrungspflichten gemäß §§ 140 bis 147 AO. Ein Kassenbericht mit sachlichen Fehlern kann so im Einzelfall rechtfertigen, die Betriebseinnahmen durch Vollschätzung zu ermitteln. Allerdings ist die Schätzungsberechtigung für jedes Jahr gesondert zu ermitteln. Aus Buchführungsfehlern eines Jahres kann nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass auch die Buchführung in einem anderen Jahr ebenfalls nicht ordnungsgemäß ist.
Eine besonders wichtige Entscheidung des BFH zugunsten der Unternehmer stammt vom 2.3.2018 (Aktenzeichen: X B 65/17). Der BFH hat nunmehr ausdrücklich festgestellt, dass der Betriebsprüfer nicht aus jedem formellen Fehler der Buchführung oder in den Aufzeichnungen auf eine Schätzung in beliebiger Höhe schließen darf. Vielmehr muss der Betriebsprüfer darlegen, welches Gewicht der konkrete Mangel für die Besteuerung hat. Je höher das Gewicht dieses Mangels und seine Bedeutung für die inhaltliche Unrichtigkeit der Steuererklärung ist, umso höher darf die Schätzung ausfallen. Im Umkehrschluss sind unwesentliche Buchführungsfehler nicht geeignet, hohe Schätzungen zu begründen.
LHP Rechtsanwälte und Steuerberater informieren zu den gesetzlichen Grundlagen zur Schätzung im Rahmen einer Betriebsprüfung, Schätzungsverfahren und Schätzungsmethoden sowie steuerstrafrechtlichen Aspekten der Schätzung.
Gesetzliche Grundlage für eine Schätzung ist § 162 AO. Demnach hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, sofern sie nicht zu ermitteln oder zu berechnen sind. Es ist insbesondere in den Fällen zu schätzen, in denen der Steuerpflichtige keine ausreichende Aufklärung geben kann oder will, oder wenn der Steuerpflichtige die zu führenden Bücher oder Aufzeichnungen nicht vorlegen kann. Auch in dem bei Betriebsprüfungen am häufigsten eintretenden Fall, dass nach § 158 AO die Bücher oder Aufzeichnungen nicht als Grundlage der Besteuerung genutzt werden, die Buchführung also verworfen wird, sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund der Steuerpflichtige die Bücher oder Aufzeichnungen nicht vorlegen kann.
Sollten die Buchführung oder Aufzeichnungen formell nicht ordnungsgemäß sein, besteht die Anscheinsvermutung (Richtigkeitsvermutung) aus § 158 AO nicht mehr. Allerdings berechtigt dieser Tatbestand nicht automatisch zu einer Schätzung, hierzu muss die sachliche Richtigkeit beanstandet werden. Wenn die Finanzverwaltung aufgrund von Verprobungen oder Einzelprüfungen sachliche Fehler nachweisen und damit den Nachweis erbringen kann, dass das Buchführungsergebnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig sein muss, ist eine Schätzung möglich. Die bloße Vermutung sachlicher Fehler ist nicht ausreichend, allein nachzuweisende sachliche Mängel berechtigen zur Verwerfung der Buchführung und zu einer Schätzung, hier ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig.
Dabei stellt eine formelle Ordnungswidrigkeit an sich keine Begründung dafür dar, eine generelle sachliche Unrichtigkeit zu unterstellen und zu schätzen. Umgekehrt kann eine formell ordnungsgemäße Buchführung, sofern ihre sachliche Unrichtigkeit nachgewiesen ist, eine Schätzung nicht abwenden. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs berechtigen lediglich geringfügige sachliche Mängel nicht dazu, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Allerdings beeinflusst ein sachlicher Fehler in der Buchführung das Jahresergebnis, daher können sachlich fehlerhafte Kassenberichte in Einzelfällen die Rechtfertigung für eine Vollschätzung liefern. Dies ist insbesondere bei sog. Wiederholungsfehlern der Fall. Bei solchen Fehlern ist es wahrscheinlich, dass auch noch weitere Fehler vorliegen. Bei lediglich einzelnen fehlerhaften Buchungen, darf das Finanzamt nur die entdeckten Fehlbuchungen korrigieren, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass weitere Fehlbuchungen ausgeschlossen sind. In diesem Fall ist kein Raum für sog. Unsicherheitszuschläge.
Das Nichtverbuchen von Einnahmen oder Ausgaben, Rechenfehler, unvollständige Dokumentation von Wareneingängen, fehlende oder fingierte Belege, das sind die häufigsten Fehler in der Buchführung. Alle Unternehmen mit hohen Barumsätzen, etwa Gastronomiebetriebe, werden bei der Betriebsprüfung besonders auch auf die Kassenführung überprüft. Hier sind typische Fehler immer wieder festzustellen:
Kassenfehlbeträge ist ein Klassiker unter den Hinzuschätzungsgründen. Dahinter steckt die Überlegung, dass aus einer Barkasse nicht mehr Geld ausgegeben als eingenommen bzw. eingelegt werden kann. Wenn für einen bestimmten Zeitraum die Ausgaben den Anfangsbestand und die Einnahmen sowie die Einlagen übersteigen, dann entsteht ein sog. Kassenfehlbetrag. Kassenfehlbeträge muss der Steuerpflichtige schlüssig erklären können. Fehlbeträge in der Kasse können die sachliche Richtigkeit der Buchführung im Einzelfall in Frage stellen sowie Hinweise auf nicht erfasste Betriebseinnahmen aufgrund höherer Geldbestände geben. Sollten sich im Verlauf der weiteren Prüfung keine ausreichenden Begründungen wie etwa eine chronologisch falsche Verbuchung oder eine fehlerhafte Einlageerfassung finden lassen, wird eine Hinzuschätzung die Folge sein. Ein Streit über die Höhe der Zuschätzung ist unvermeidlich.
In derartigen Fällen werden durch die Finanzverwaltung zusätzlich das Betriebsergebnis und die konkrete Entnahmesituation als Ergänzungen für die Schätzung hergezogen, etwa gebundene und ungebundene Entnahmen. Auch ungeklärte Einlagen können für eine Schätzung herangezogen werden. Sollten jedoch Formfehler wie eine unchronologische Verbuchung oder Verbuchungsfehler im Bereich der Einlagen vorliegen, reicht dieses als Begründung für eine Zuschätzung nicht aus. Um die Höhe der Schätzung zu definieren, ist zu beurteilen, ob die Ursache für die Kassenfehlbeträge nur in einem singulären Vorgang liegt, oder ob eine fortgesetzte Nichterfassung von Einnahmen besteht. Im ersten Fall kann nur die Höhe des höchsten Fehlbetrages eine Zuschätzung berechtigen, ggf. mit einem Sicherheitszuschlag, während im Fall fortgesetzter Nichterfassung die Summe der gesamten Fehlbeträge in der Kasse in die Schätzung einfließen kann. Auch eine Gesamtschätzung ist möglich, sofern die Mängel in der Kassenbuchhaltung so gravierend sind, dass Zweifel an der gesamten Einnahmeerfassung bestehen müssen.
Die in der Praxis häufig praktizierte Vorgehensweise, dass sämtliche Tage mit Minusbeständen aufaddiert werden und das Ergebnis hinzugeschätzt wird, führt nicht zu sachgerechten Ergebnissen, da so einmal entstandene Fehlbeträge potenziert werden. Steuerberater, die selbst Hinzuschätzungen vornehmen, sollten diese als solche erkennbar der Finanzverwaltung offen mitteilen. Anderenfalls besteht die Gefahr der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wenn sich die Hinzuschätzungen später als zu niedrig herausstellen.
In der Praxis wird kaum eine Buchführung vollständig frei von Fehlern sein. Aus der Formulierung des Wortlaut des § 158 AO "insoweit" ergibt sich eindeutig, dass nur die Teile zu der Buchführung zu verwerfen sind, die unrichtig sind. Auch Bagatellfehler führen nicht zu einer Verwerfung. Unwesentliche materielle Fehler berühren demnach nicht die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Die Fehler sind zu berichtigen oder das Buchführungsergebnis ist durch eine partielle Schätzung richtigzustellen. Allerdings ergibt sich in der Praxis hierbei häufig das Problem, den schlüssigen Nachweis zu erbringen, dass nur Teile unrichtig sind. Besonders in Fällen, in denen die Überprüfung der Kasse regelmäßig Fehler nachweist, wird ein solcher Nachweis kaum Aussicht auf Erfolg haben.
Zur Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung lässt die Rechtsprechung verschiedene Methoden der Verprobung zu (innerer Betriebsvergleich, Nachkalkulation, Zeitreihenvergleich, Geldverkehrsrechnung, Vermögenszuwachsrechung und eingeschränkt den Chi-Quadrat-Test), andere jedoch nicht als alleiniger Beweis (äußerer Betriebsvergleich, Richtsatzsammlung).
Zeigt eine zum Vergleich geeignete Verprobungsmethode eine Abweichung von dem Ergebnis der Buchführung, bedeutet dies jedoch noch nicht, dass die Buchführung zwangsläufig zu verwerfen ist. Diese Möglichkeit besteht nur, wenn die Abweichung auch außerhalb der durch die der jeweiligen Verprobungsmethode innewohnenden Unschärfen begründeten Bandbreite liegt. Eine Reihenfolge oder Wertigkeit der verschiedenen Methoden gibt es nicht. Sollte die Betriebsprüfung anhand einer Methode zu dem Ergebnis gekommen sein, dass die Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann versucht werden, dem mit einer eigenen Berechnung zu begegnen.
Wichtiger Hinweis vom Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater: Eine Verwerfung einer formell ordnungsgemäßen Buchführung muss immer in zwei Schritten erfolgen. Die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO ist so stark, dass es eben nicht ausreicht, Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung durch die oben genannten Verprobungsmethoden zu begründen. Nur eine Wahrscheinlichkeit , dass die Buchführung sachlich unzutreffend ist beseitigt die Richtigkeitsvermutung nicht. Erforderlich ist vielmehr eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. In der Praxis bedeutet dies, je geringer die Abweichung des Ergebnisses der Verprobungsmethode von den erklärten Zahlen ist, desto größer ist das Argumentationspotential des Steuerberaters bzw. Steueranwalts, mit dem bereits die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bestritten werden kann. Ist jedoch sicher, dass die formell ordnungsgemäße Buchführung sachlich nicht zutreffend sein kann, dann - und nur dann - kann durch die Betriebsprüfung in einem zweiten Schritt eine Schätzung erfolgen.
Wenn dem Prüfer eine weitere Sachaufklärung nicht mehr möglich oder zumutbar ist, dann muss er die Besteuerungsgrundlagen durch eine Schätzung ansetzen. Die steuerliche Schätzung soll die Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen ermitteln.
Ziel jeder Schätzung muss es sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen anzusetzen, für die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit spricht. Das Schätzungsergebnis muss plausibel, in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Nur dann, wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten den Anlass zu der Schätzung gegeben hat, dürfen etwaige Unsicherheiten der Schätzung nicht zu Lasten des Finanzamtes gehen. Das ist etwa dann der Fall, wenn er grob gegen seine steuerlichen Aufzeichnungspflichten, Aufbewahrungspflichten und Mitwirkungspflichten verstoßen hat. Dann darf die Betriebsprüfung an die obere Grenze des Schätzungsrahmens gehen. Ausdrücklich nicht zulässig sind aber sog. Strafschätzungen, die willkürlich in der Absicht vorgenommen werden, den Steuerpflichtigen zu erziehen bzw. zu "bestrafen"
Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Betriebsprüfer in der Wahl der Schätzungsmethode frei. Er hat - im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens - die Methode zu wählen, der die größte Gewähr innewohnt, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. Hierbei ist der Prüfer auch nicht verpflichtet, das durch eine bestimmte Schätzmethode gewonnene Ergebnis durch eine weitere Schätzmethode zu überprüfen. Das steuerliche Prinzip der sog. Abschnittsbesteuerung (veranlagungszeitraumbezogene Betrachtungsweise) erlaubt es dem Betriebsprüfer sogar in jedem Jahr eine andere Schätzmethode anzuwenden.
Praxistipp: Der hinzugezogene Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht sollte daher in einem ersten Schritt die angewandte Methode auf Fehler und Schwächen überprüfen. In einem zweiten Schritt sollte er nach Möglichkeit eine eigene Schätzung nach der vom Betriebsprüfer angewandten Methode vornehmen und diese möglichst durch eine weitere Schätzmethode untermauern.
Bei einem externen Betriebsvergleich wird der zu prüfende Betrieb mit anderen Betrieben verglichen. Dieses Vorgehen kann mit erheblichen Fehlern einhergehen. Es ist häufig bereits in Zweifel zu ziehen, ob es sich bei den für einen Vergleich herangezogenen Unternehmen tatsächlich um vergleichbare Unternehmen handelt, die in Bezug auf wesentliche Vergleichsgrößen wie Kundenstamm, Organisation oder Betriebsgröße mit dem geprüften Unternehmen übereinstimmen. Ist dieses nicht der Fall, ist ein korrekter Vergleich dieser Unternehmen nicht möglich. Zudem steht das Steuergeheimnis in der Regel der Verwertung von Zahlen konkreter anderer Betriebe im Wege. Spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren muss das Finanzamt offen legen, wie der konkrete Vergleichsbetrieb namentlich heißt, um den Vergleich hinterfragen zu können.
Um diesen Probleme zu begegnen, werden durch die Finanzverwaltung regelmäßig Richtsatzsammlungen aufgestellt. In diese gehen Vergleichszahlen ein, die aufgrund von Prüfungserfahrungen gewonnen wurden. Die Richtsatzsammlung weist z.B. für folgende Kennzahlen Spannen aus: Rohgewinnaufschlag auf den Wareneinsatz, Rohgewinn, Reingewinn und Halbreingewinn. Am leichtesten ist die Verprobung des Rohgewinnaufschlags auf den Wareneinsatz. Dabei ist auch die Nutzung von Angaben einer Richtsatzsammlung für einen Vergleich von betrieblichen Werten ein externer Betriebsvergleich, bei dem aufgrund der verallgemeinernden Betrachtung sehr genau auf Besonderheiten des von der Prüfung betroffenen Betriebes zu achten ist. Zudem ist nicht gewährleistet, dass die Werte in der Richtsatzsammlung selber frei von Fehlern sind. Der Vergleich mit einem externen Betrieb hat deswegen regelmäßig nur eine geringere Beweiskraft als sie internen Betriebsvergleichen beiwohnt.
Wie bereits oben ausgeführt rechtfertigt allein die Abweichung der Zahlen des geprüften Betriebs von der Bandbreite der amtlichen Richtsatzsammlung keine Zweifel an der formell ordnungsgemäßen Buchführung, auch wenn dies von machen Betriebsprüfern behauptet wird.
In der Praxis kommt insbesondere der Einordnung (Brancheneinteilung) des zu prüfenden Betriebes entscheidende Bedeutung zu. Berater sollten die Einordnung genau prüfen, da die Aufschlagsätze verschiedener Gastronomiebetriebe (z.B. Pizzeria, Imbissbetrieb) zum Teil stark voneinander abweichen.
Seit geraumer Zeit hat sich die Kritik an der Richtsatzsammlung verstärkt und in Betriebsprüfungen sollte die Auseinandersetzung mit der Richtsatzsammlung zum A & O des Steueranwalts zählen (vgl. die Praxishinweise unseres Rechtsanwalts Dirk Beyer in NWB Nr. 44/2018, S. 3232). So bestehen erhebliche Zweifel, ob die Richtsatzsammlung überhaupt eine repräsentative Datenbasis ist. Die vermehrten Diskussionen hierzu führten dazu, dass selbst der BFH kürzlich über eine Beschwerde hierzu in einem Revisionszulassungsverfahren zu entscheiden hatte. In diesem Fall ging es um eine Schätzung bei einem Gastronomen aufgrund nicht ordnungsgemäßer Kassenführung. Das Finanzamt nahm eine Hinzuschätzung vor, die sich am unteren Rand der BMF-Richtsätze für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften orientierte. Klage und Revision des Gastronomen waren erfolglos. Der BFH hat die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen (Beschluss v. 8.8.2019, Aktenzeichen: X B 117/18). Der BFH verwies auf die bisherige Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Richtsatzsammlung und betonte, dass er sich als Revisionsgericht nicht näher mit der Literaturkritik an der Richtsatzsammlung habe auseinandersetzen müssen. Der Kläger und Revisionsführer habe seine Bedenken gegen die Richtsatzsammlung nicht substantiiert geltend gemacht.
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Die Kritik in der Literatur an der Richtsatzsammlung nimmt mittlerweile immer mehr Fahrt auf und es ist sehr fraglich, ob die Richtsatzsammlung ihre bisherige Bedeutung für die Betriebsprüfung behalten wird. Aus Sicht der betroffenen Unternehmen ist dies erfreulich. Der BFH hat diese Frage letztlich offengelassen, weil der dortige Kläger die Kritik an der Richtsatzsammlung nicht fundiert genug vorgetragen habe.
Es gibt verschiedene Methoden, um einen internen Betriebsvergleich in einem Unternehmen umzusetzen. Beliebt ist der sog. Zeitreihenvergleich. Hierunter versteht man die Analyse der betrieblichen Daten und deren graphische Auswertung. Ziel ist es festzustellen, ob die durchschnittlichen betrieblichen Daten wie Wareneinkauf, Materialeinsatz, Rohgewinn und Rohgewinnaufschlag, die über den Prüfungszeitraum – in aller Regel drei Jahre – schlüssig sind und sich auch über kurze Intervalle wie Wochen und Monate als schlüssig darstellen. Der Zeitreihenvergleich wird insbesondere bei der Betriebsprüfung in gastronomischen Betrieben eingesetzt. Hier wird unterstellt, dass neue Ware immer erst dann eingekauft wird, wenn die alte verbraucht wurde und keine Lagerhaltung betrieben wird. Begründet wird dies mit der relativ kurzen Haltbarkeitsdauer von Lebensmitteln. Sofern sich beim Zeitreihenvergleich große Abweichungen ergeben, lässt dies Rückschlüsse auf nicht erfasste Einnahmen zu.
Die sogenannte Ausbeutekalkulation, die Ermittlung des durchschnittlichen Aufschlagsatzes für den Rohgewinn zum Zwecke der Nachkalkulation, ist die in der Gastronomie am weitesten verbreitete Methode der Nachkalkulation, die dann im Zeitreihenvergleich betrachtet wird.
Durch den Betriebsprüfer wird auf Basis der Einkaufsrechnungen der Jahreswert für den Wareneinkauf ermittelt. Parallel wird unter Anwendung von Erfahrungssätzen und anhand der Speisekarte beispielhaft der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz für eine Auswahl der angebotenen Speisen und Getränke errechnet und dem Wareneinkauf zugeschlagen. Sollte das Ergebnis von den Ausweisungen in der Buchführung abweichen, werden Hinzuschätzungen vorgenommen.
Um bei diesem Verfahren ein möglichst wirklichkeitsgetreues Gesamtbild zu erreichen, ist es wichtig, dass die Aufschlagsätze exakt anhand der spezifischen Gegebenheiten des Betriebes für die jeweiligen Speisen und Getränke ermittelt werden. Den Rezepturen und Größen der Portionen kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Zudem muss exakt festgestellt werden, in welchem Anteil die eingekauften Warenbestände tatsächlich der Erzielung von Umsätzen verwendet werden können. Durch Eigenverbrauch, Schwund und Verderb ist dieser Anteil oft deutlich geringer, auch Sonderaktionen mit Rabatten und Freigetränken haben starken Einfluss auf die jeweiligen Aufschlagsätze. Der Betriebsprüfer verfügt als Außenstehender nicht über das notwendige Fachwissen, um die auf der Speisekarte ausgewiesenen Gerichte den einzelnen Wareneinkäufen zuzuordnen oder die Besonderheiten des Betriebes ausreichend zu berücksichtigen. Die Folge sind hier häufig erhebliche Fehlbewertungen, die der Aufklärung bedürfen.
Dabei gilt: Soll mit einer Nachkalkulation eine formell ordnungsgemäße Buchführung entkräftet werden, so muss die Nachkalkulation selber formell ordnungsgemäß sein. Sollten etwa unterschiedliche Aufschlagsätze durch den Prüfer angesetzt werden, so ist durch ihn der Wareneinsatz umfassend aufzugliedern. Damit ist die Nachkalkulation ein sehr zeitaufwendiges Verfahren, das zudem aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Faktoren problematisch - da angreifbar - ist. Daher werden durch die Rechtsprechung Verprobungsmethoden der Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung als geeigneter eingeschätzt, sie gelten als verlässlicher hinsichtlich ihres Ergebnisses.
Beim Zeitreihenvergleich wird der Rohgewinnaufschlagsatz anhand der Buchführung einzelner Zeitabschnitte ermittelt. Das in der steuerlichen Betriebsprüfung relativ neue Verfahren stellt eine Weiterentwicklung der Ausbeutekalkulation dar, daher wird auch der Zeitreihenvergleich vorwiegend bei der Prüfung gastronomischer Betriebe angewendet. Durch diese Methode soll überprüft werden, ob auch eine wochenweise Ermittlung der Rohgewinnaufschläge in einem Betrieb zu dem erklärten, durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag des jeweiligen Kalenderjahres führt.
In Betriebsprüfungsberichten wird dazu oft ausgeführt, dass sich im Jahresverlauf ergebende größere Schwankungen innerhalb der wöchentlich ermittelten Rohgewinnaufschläge dazu führen, dass der sich in einem Zeitraum von einer oder mehrerer zusammenhängender Wochen ergebende höchste Rohgewinnaufschlag als der für das gesamte Kalenderjahr anzusetzende Rohgewinnaufschlag gewertet wird, sofern diese Schwankungen in Betrieben dieser Art nicht als gewöhnlich anzusehen sind oder begründete Argumente dargelegt werden, mit denen die schwankenden Rohgewinnaufschlagsätze des Kalenderjahres erklärt werden können.
Diese Methode der Überprüfung ist dabei ein seit Jahrzehnten in der Wirtschaftsprüfung bekanntes Verfahren. Allerdings stieß es in der Vergangenheit aufgrund einer unzureichenden technischen Ausrüstung der Finanzbehörden an Grenzen, was seine praktische Anwendung angeht, da die manuelle Berechnung mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war. Durch eine flächendeckende Einführung von EDV gestützten Prüfungssystemen in den Betriebsprüfungsstellen hat sich dieses jedoch nachhaltig geändert.
Mit dem Zeitreihenvergleich sollen Fälle aufgedeckt werden, in denen weder Wareneinsatz noch Erlöse korrekt verbucht wurden. Dabei wird seitens der Finanzverwaltung die Erfahrung berücksichtigt, dass es für den Inhaber des Betriebes praktisch unmöglich ist, exakt diese Wareneinkäufe in der Buchführung vollständig zu verschweigen, mit dem die nicht gebuchten Erlöse erzielt worden sind. Der Jahresrohgewinnaufschlag kann sich in einem solchen Fall zwar innerhalb des üblichen Bereiches bewegen, bei der unterjährigen Betrachtung ergeben sich dann jedoch insgesamt verräterische Auffälligkeiten oder bei einzelnen Warengruppen.
Diese Auffälligkeiten sichtbar zu machen, ist die Aufgabe des Zeitreihenvergleiches. Für jede Kalenderwoche eines Kalenderjahres wird separat der Rohgewinnaufschlag aus den gebuchten Wareneinkäufen und Betriebseinnahmen ermittelt. Die in der Buchführung gebuchten Wareneinkäufe werden, nach Sorten getrennt, auf den Zeitraum zwischen zwei Einkäufen verteilt und mit ihrem jeweiligen Anteil den Kalenderwochen zugeordnet. Dieser Wareneinsatz der Kalenderwoche wird dann mit den in der Kalenderwoche verbuchten Erlösen verglichen, sollten sich hierbei Auffälligkeiten oder Abweichungen ergeben, ist zu der Vermutung Anlass gegeben, dass die Buchführung sachliche Fehler enthält.
In Bezug auf die Glaubwürdigkeit dieses Verfahrens fällt positiv auf, dass hier seitens der Finanzverwaltung ausschließlich interne, aus der jeweiligen Betriebsbuchführung stammende Daten für den Betriebsvergleich herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass weiteres Wissen über die Speisenzusammensetzung oder Portionsgrößen nicht mehr notwendig ist, die hierdurch möglichen Fehlerquellen entfallen damit. Auf der anderen Seite ergeben sich neue Fehlerquellen, denn nicht jede festgestellte Auffälligkeit oder Abweichung deutet zwangsläufig auf Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Erstellung der Buchführung hin.
Hierbei ist insbesondere die Art und Weise problematisch, wie der Wareneinkauf verteilt wird. Beim Zeitreihenvergleich wird unterstellt, dass immer erst dann neue Waren eingekauft werden, wenn der vorhandene Vorrat aufgebraucht wurde. Werden Lagerbestände zeitversetzt für die Erlöserzielung eingesetzt, so finden diese keine Berücksichtigung. Die Begründung hierfür lautet, dass Lebensmittel nur eine begrenzte Haltbarkeit besitzen und deshalb Altbestände vor einem Neueinkauf verbraucht würden. Zudem sei eine Vorratshaltung dieser Waren überflüssig, da diese Waren jederzeit, also täglich, angeliefert würden und zudem preisstabil seien.
Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Argumentation in vielen Fällen nicht mit der Realität in den Betrieben übereinstimmt. Jedoch ist es im Nachhinein schwierig, unterjährige Warenvorräte exakt zu quantifizieren und zu bewerten, dieser Nachweis ist jedoch für eine Widerlegung des Zeitreihenvergleiches notwendig. Einen Ausweg stellt nur eine permanente Inventur dar, die jedoch gerade bei kleineren Unternehmen nicht umzusetzen ist.
Dem Warenvorrat kommt eine erhebliche Bedeutung zu, daraus ergibt sich eine zunehmende Bedeutung auch der jährlichen Stichtagsinventur. Im gastronomischen Bereich ist immer wieder festzustellen, dass die Inventurzählung und Erfassung nur unzulänglich vorgenommen wird, dadurch ergeben sich bei einem Zeitreihenvergleich zwangsläufig fehlerhafte Zuordnungen, besonders in den ersten Kalenderwochen des (neuen) Jahres. Wird der Warenbestand zu niedrig angegeben, führt das zu Rohgewinnaufschlägen, die überhöht sind, und Vice versa. Zudem unterstellt der Zeitreihenvergleich, dass der Wareneinkauf in Gänze oder mit einem immer gleichen Anteil für die Erlöserzielung verwendet wird. Schwankungen werden nicht berücksichtigt, in der Praxis sind diese jedoch eindeutig vorhanden, etwa durch erhöhten Verderb in den Sommermonaten oder durch einen außergewöhnlichen Eigenverbrauch aufgrund einer eigenen Feier des Unternehmers.
Auch saisonale Unterschiede finden im Zeitreihenvergleich keine Berücksichtigung. In der Praxis haben diese jedoch einen entscheidenden Einfluss auf den zu erzielenden Rohgewinnaufschlag. Wird etwa im Sommer ein Biergarten betrieben, kann dieses Verschiebungen der Umsatzanteile von Speisen und Getränken am Gesamtvolumen des Umsatzes zur Folge haben; der für gewöhnlich bei Getränken höhere Rohgewinnaufschlagsatz führt dann häufig zu einer Steigerung des gesamten Rohgewinnaufschlags. Das hat nicht mit unverbuchten Einnahmen der übrigen Monate zu tun, nach der oben ausgeführten Prämisse würde die Betriebsprüfung allerdings eben dieses vermuten. Die Gründe für saisonale Schwankungen sind vielfältig, die Schwierigkeit besteht jedoch darin, sie im Rahmen einer Betriebsprüfung nachträglich zu ermitteln und ihren Nachweis erbringen zu können.
Fazit: Grundsätzlich kommt dem Zeitreihenvergleich eine hohe Aussagekraft zu, da dieser ausschließlich auf den vom zu prüfenden Betrieb bereitgestellten Daten beruht. Die mit vielen Zahlen unterlegten graphischen Darstellungen der Prüfer wirkten auf den ersten Blick oft überzeugend. Steuerberater bzw. Fachanwälte für Steuerrecht sollten ungeachtet dessen die dem Vergleich zu Grunde liegende Zahlenbasis sorgfältig analysieren. Die Schwachstelle dieses Vergleichs liegt darin, dass nie mit Sicherheit festgestellt werden kann, welche Waren in welchen Zeitabschnitten tatsächlich verbraucht wurde, da in der Regel keine Zwischeninventuren gemacht werden, die die Ergebnisse des Vergleichs widerlegen können. Als Beweisvorsorge für eine Abwehrberatung bieten sich Zwischeninventuren und Dokumentationen über reguläre und verbilligte Verkaufspreise, über Schwund und Verderb sowie über die Speisezusammenstellung und über das Einkaufsverhalten an.
Die Vermögenszuwachsrechnung, die Einnahmen-Ausgaben-Deckungsrechnung und die Geldverkehrsrechnung sind weitere Schätzungsmethoden. Sie gehen von der Überlegung aus, dass ein Steuerpflichtiger nur in der Höhe Mittel verbrauchen kann, wie ihm durch Einnahmen oder Vermögen zur Verfügung stehen. Sollte sich ein Überschuss an verbrauchten Mitteln ergeben, der nicht aufzuklären ist, so lässt dieses die Annahme zu, dass diese Mittel aus nicht versteuerten Einkünften entstammen. Dabei hängt die Qualität dieser Berechnungen von den verfügbaren Informationen über den Steuerpflichtigen ab. Diese betreffen wesentlich auch dessen Privatsphäre, in der keine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten bestehen, wodurch sich erhebliche Fehlerquellen ergeben. Die Grundvoraussetzung für Berechnungen dieser Art ist daher die Vorlage der privaten Konten.
Generell besteht im Bereich nichtbetrieblicher Unterlagen wie private Kontobewegungen, Verträge und ähnliches bei einer Betriebsprüfung keine Vorlagepflicht. Das ändert sich aber dann, wenn etwa ein privates Konto für die Besteuerung relevant sein kann (§ 200 AO). Der Betriebsprüfer braucht also einen konkreten Anlass für die Anforderung der privaten Konten. Dabei sollen aber bereits formelle Mängel in der Buchführung ausreichen.
Die Geldverkehrsrechnung benötigt also Datenmaterial aus der Sphäre des Steuerpflichtigen. Der Betriebsprüfer ist also auf die Angaben und die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen, da der Prüfer nicht die Möglichkeit hat, sich die entsprechenden Unterlagen selbst zu beschaffen. Sofern der Steuerpflichtige die gewünschten Unterlagen nicht vorlegt steht dem Prüfer nur das Zwangsmittelverfahren §§ 328 ff. AO zur Verfügung. Dies ändert sich aber dann, wenn die Betriebsprüfung einen steuerstrafrechtlichen Verdacht hat und das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung informiert, welches dann über die entsprechenden strafprozessualen Ermittlungskompetenzen verfügt und auch an die kontoführende Bank herantreten kann. Sollte das Vorlageverlangen des Betriebsprüfer im Einzelfall begründet sein und kommt der Steuerpflichtige dieser Aufforderung jedoch nicht nach, kann auch der Betriebsprüfer ein Auskunftsersuchen nach § 93 AO an die Bank richten. Dieses steht nicht im Widerspruch zum Bankgeheimnis. Dem Auskunft- und Vorlageersuchen der Finanzverwaltung steht auch nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige selber nicht zur Aufzeichnung und Aufbewahrung verpflichtet ist. Entscheidend ist hier nur, dass der Steuerpflichtige der an ihn persönlich gerichteten Vorlageaufforderung nicht nachkam und das Vorlageverlangen ermessensgerecht ist. Ein solches Ersuchen, das schriftlich an die Bank gerichtet werden und mit den erforderlichen Hinweisen versehen sein muss, ist grundsätzlich zunächst auf den Zeitraum eines Jahres zu beschränken. Sollte es erforderlich sein, kann es im Anschluss auf weitere Jahre ausgeweitet werden. Das Vorlageersuchen gegenüber dem Steuerpflichtigen nach § 200 AO und gegenüber der Bank nach § 93 AO stellen Verwaltungsakte nach § 118 AO dar, die mittels Einspruch und Klage angefochten werden können.
Gegen eine private Geldverkehrsrechnung bestehen nicht unerhebliche Einwände: Eine vollständige und damit aussagekräftige Geldverkehrsrechnung mit dem Ziel der Einnahmeverprobung ist nur in solchen Fällen möglich, in denen sämtliche Bankkonten, ggf. auch die des Ehepartners, zur Prüfung herangezogen werden. In der Sache selbst sollte die Berechnung sorgfältig analysiert werden. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob die vom Steuerpflichtigen vorgelegten Unterlagen richtig und vollständig ausgewertet wurden und auch die vom Steuerpflichtigen darüber hinaus gegebenen Erklärungen in die Berechnung einbezogen wurden. Bei etwaigen verbleibenden Fehlbeträge ist eine genaue „Ursachenforschung“ erforderlich. Differenzen auf der Einnahmenseite können auf verschiedenen Gründen beruhen. Es gibt ferner keine Rechtsgrundlage dafür, dass alle auf ein privates Konto vorgenommenen Zahlungen, für die kein Herkunftsnachweis erbracht werden kann, aus einkommensteuerpflichtigen Einkünften stammen. Die Beweislast für steuererhöhende Tatsachen trägt das Finanzamt. Steuerpflichtige sind ferner nicht gehalten, die Herkunft ihres Privatvermögens nachzuweisen.
In der Gastronomie wird zur Kalkulation des Umsatzes öfters die sog. 30/70-Methode angewandt. Diese beruht auf dem Gedanken, dass in einem Speiserestaurant das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt, da die Gäste typischerweise im Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken kaufen. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es nach Ansicht des BFH, aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speiseumsätze zu schließen (BFH-Beschluss vom 11.1.2017, Aktenzeichen: X B 104/16).
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Dies bedeutet allerdings nicht, dass jedes Ergebnis kritiklos hinzunehmen ist. Es bestehen im Einzelfall wichtige – oft umstrittene – Stellschrauben. Das Verhältnis 30 zu 70 ist nicht starr. Beispielsweise ist die Verteilung von Getränke- zu Speiseumsätzen nach zutreffender Ansicht nicht starr im Verhältnis 30 zu 70 zu sehen, sondern anhand betriebsbezogener Daten zu schätzen. Dies hat die bisherige Rechtsprechung der Finanzgerichte auch so gesehen. Bereits eine Änderung von wenigen Prozentpunkten kann eine erhebliche Hebelwirkung haben.
In den letzten Jahren wurde die sog. „griffweise Schätzung“ als eine pauschale Methode bei vielen Betriebsprüfern immer beliebter. Der BFH hatte diese in einer früheren Rechtsprechung unkritisch für zulässig angesehen. In der Praxis der Betriebsprüfung sehen sich daher Unternehmen insbesondere in den sog. Bargeldbranchen pauschalen Sicherheitszuschlägen zum Umsatz oder Gewinn ausgesetzt. Der BFH hat für diese Schätzungen jedoch im Jahr 2017 nun zutreffend eine Hürde aufgestellt und festgestellt, dass auch für eine solche Schätzung die regulären Voraussetzungen einer Schätzung gem. § 162 AO gelten (BFH, Urteil v. 20.3.2017, Aktenzeichen: X R 11/16). Ein häufiger Anwendungsfall der griffweisen Schätzung ist der in der Praxis der Betriebsprüfung beliebte Sicherheitszuschlag. Hierbei handelt es sich um einen pauschalen Zuschlag (prozentual oder in absoluten Werten pro Veranlagungszeitraum). Dieser Zuschlag wird in der Praxis hinsichtlich seiner Höhe nur oberflächlich oder gar nicht näher begründet bzw. es wird lediglich ausgeführt, dass er maßvoll und eine noch höhere Schätzung möglich sei. Prüfer berufen sich darauf, dass der BFH Sicherheitszuschläge als im Einzelfall zulässig angesehen hat (BFH, Urteil v. 15.4.2015, VIII R 49/12, Juris). Diese frühere Rechtsprechung hat der BFH nunmehr – wie eingangs ausgeführt – deutlich zugunsten des Unternehmers geändert.
Beispiel: Das Finanzamt schätzt zu den Umsätzen einen Sicherheitszuschlag von 10%, weil der Unternehmer die Geldautomaten nicht regelmäßig leerte und das Geld nicht zählte (BFH, Urteil v. 20.3.2017, Aktenzeichen: X R 11/16). Der BFH beanstandete, dass es dieser Schätzung an einer hinreichenden Begründung mangele. Denn der Betriebsprüfer erläuterte nicht, warum ausgerechnet 10% und nicht ein niedrigerer Prozentsatz angemessen gewesen sei. Die Begründung müsse es dem Revisionsgericht ermöglichen, die Hinzuschätzung zu überprüfen (sog. Begründungstiefe). Weiterhin ergibt sich aus dieser neuen Rechtsprechung, dass auch ein Sicherheitszuschlag betriebsbezogen begründet und den betrieblichen realen Umständen möglichst entsprechen muss. Die Anforderungen, die an Schätzungen im Allgemeinen zu stellen sind, stellt der BFH nun auch an Sicherheitszuschläge. Diese neue Rechtsprechung ist konsequent. Es besteht kein Sonderrecht für Sicherheitszuschläge. Maßgebend auch für diese Schätzungen ist die allgemeine Schätzungsregelung des § 162 AO.
Hinweis der Steueranwälte von LHP: Diese neue Rechtsprechung bedeutet für die Praxis, dass Sicherheitszuschläge nicht mehr duldend hingenommen werden müssen.
Beispiel: Unzulässig ist daher die nicht näher begründete sog. Zuschlagstreppe von z.B. 10 Prozent für 2013, 11 Prozent für 2014 und 12 Prozent für 2015.
Allerdings sollte gesehen werden, dass ein Zuschlag von einem geringen Prozentsatz – wenn er finanzierbar ist – möglicherweise größeres Unheil z.B. in Form von langwierigen Rechtsstreitigkeiten abwenden kann. Hierbei handelt es sich selbstverständlich um eine unternehmerische Entscheidung. Betriebsprüfer spekulieren oft darauf, dass der Unternehmer die Schätzung „zähneknirschend“ akzeptiert, um einem weiteren Streit aus dem Wege zu gehen. Nicht jeder pauschale Sicherheitszuschlag muss jedoch akzeptiert werden, da er oft nicht den betrieblichen Realitäten entspricht.
Wird in den Bargeldbranchen (Gastronomie, Taxiunternehmen, Einzelhandel, Friseurhandwerk) die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung angezweifelt und eine griffweise Schätzung angekündigt, sollte z.B. auch geprüft werden, ob der Kassenaufsteller als Zeuge vernommen werden kann. Der BFH hat hierzu jüngst festgestellt, dass die Vernehmung des Kassenaufstellers und auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Kassenspeicherung ein zulässiger Beweisantrag sein kann (BFH v. 2.3.2018, Aktenzeichen: X B 65/17).
Wie ausgeführt sind im Besteuerungsverfahren im Rahmen einer Schätzung die Besteuerungsgrundlagen zu Grunde zu legen, die die Gewähr für die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben.
Auch im Steuerstrafverfahren sind Schätzungen zulässig, allerdings mit völlig anderen Beweisgrundsätzen. Hier gilt der Grundsatz des "in dubio pro reo" (vgl. § 261 StPO, im Zweifel für den Angeklagten) mit der Folge, dass verbleibende Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung - anders als im Besteuerungsverfahren - nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen dürfen. Eine steuerliche Schätzung kann ins Strafrecht nur dann übernommen werden, wenn bewiesen (nicht nur behauptet) ist, dass der Steuerpflichtige mindestens (!) einen bestimmten Betrag hinterzogen hat. Infolge dessen wird das strafrechtlich relevante Ergebnis in der Regel deutlich unter dem Ergebnis der steuerlichen Schätzung liegen. Strafprozessual völlig irrelevant sind daher insbesondere die durch den Betriebsprüfer vorgenommenen Sicherheitszuschläge. Pauschal von Strafrichtern vorgenommene Abschläge (sog. Sicherheitsabschläge) sind ebenfalls nicht unproblematisch. Diese dokumentieren die Unsicherheit des Strafrichters in Bezug auf das gesamte Schätzungsergebnis. Strafprozessual unzulässig ist ferner z.B. die steuerlich gerne praktizierte Vorgehensweise, das Ergebnis einer Nachkalkulation für einen bestimmten Zeitraum von z.B. sechs Monaten, auf den gesamten Hinterziehungszeitraum zu übertragen.
Insbesondere in Steuerstrafverfahren ist die Zulässigkeit von Sicherheitszuschlägen besonders umstritten. Nach richtiger Ansicht sind Sicherheitszuschläge im Strafverfahren ebenso wie im Steuerrecht nur zulässig, wenn sie hinreichend anhand der betrieblichen Umstände begründet werden und realitätsbezogen sind. Eine pauschale Anwendung eines „üblichen“ Satzes von z.B. rund 10% ist unzulässig. Der Strafrichter muss darlegen, warum nach seiner Ansicht aus Formalverstößen die inhaltliche Unrichtigkeit der Gewinnermittlung geschlussfolgert werden kann. Die betrieblichen Besonderheiten muss der Strafrichter berücksichtigen.
Für einen Steuerberater oder steuerlich versierten Anwalt bestehen vielfältige Möglichkeiten den "Hebel anzusetzen", um die Schätzungsergebnisse der Betriebsprüfung mit dem Ergebnis zu erschüttern, dass entweder überhaupt keine Schätzungsbefugnis der Finanzbehörden besteht oder die Schätzung im Rahmen der Betriebsprüfung auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Hierfür muss sich der Berater intensiv mit den Feststellungen und den Schlussfolgerungen des Betriebsprüfers auseinandersetzen.
LHP Rechtsanwälte sind Fachanwälte für Steuerrecht und Steuerberater, waren zum erheblichen Teil früher in der Finanzbehörde tätig und unterstützen Mandanten, Schätzungen von Betriebsprüfern erfolgreich abzuwehren. Weitgehende Kenntnis der Abläufe in den Finanzbehörden von LHP Rechtsanwälte helfen dabei.
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